Ich höre schlecht – brauche ich ein Hörgerät???
Wann ist es Zeit für ein Hörgerät?
Vielleicht ahnen Sie es schon länger…. das Hörvermögen läßt nach, man muss ständig nachfragen, Angehörige und Freunde sprechen einen an, oder Sie haben sogar kaum mehr Lust ins Restaurant oder auf Gesellschaften zu gehen und ziehen sich zurück? Sie empfinden das aktive Zuhören anstrengend und sind am Ende des Tages völlig geschafft? Sie möchten es sich nicht eingestehen, aber Sie merken, dass Sie nicht mehr so gut hören.
Schwerhörigkeit ist weit verbreitet, bis zu einem Viertel aller Erwachsenen sind höreingeschränkt. Von den Betroffenen tragen jedoch nicht mal ein Fünftel ein Hörgerät. Viele bemerken zunächst überhaupt nicht, dass sie schwerhörig sind, denn eine Schwerhörigkeit kommt meistens schleichend. Andere wiederum wissen ganz genau, dass sie nicht mehr richtig hören, meiden aber den Gang zum HNO-Arzt aus Sorge „gleich ein Hörgerät verpasst zu bekommen“. In unserer Gesellschaft ist es leider immer noch so, dass sich Schwerhörige mit einem Hörgerät stigmatisiert vorkommen, sich alt fühlen. Dabei gibt es inzwischen so kleine, moderne und damit dezente Geräte mit tollen Features, die das Leben deutlich leichter machen können.
Warum kommt es zu Schwerhörigkeit?
Wie bereits erwähnt kommt eine Schwerhörigkeit meistens schleichend und beidseitig. Durch degenerative Prozesse kommt es im Innenohr zu einer Funktionsstörung äußeren Haarzellen. Meist ist der Bereich der hohen Frequenzen betroffen, deshalb eine leichte degenerative Schwerhörigkeit anfangs oft unbemerkt bleibt. Im weiteren Verlauf kommt es dann zu zunehmender Beeinträchtigung: typischerweise bemerken Betroffene die Schwerhörigkeit vor allem in Gesellschaft, in größeren, hallenden Räumlichkeiten und wenn mehrere Personen durcheinander sprechen (Störschall). Wir sprechen hier vom sog. „Cocktail-Party-Effekt“.
Angeborene und erworbene Schwerhörigkeit
Daneben gibt es auch angeborene Schwerhörigkeiten. Durch Screening-Maßnahmen werden diese jedoch bei Kindern früh erkannt und entsprechend versorgt. Leider gibt es jedoch immer noch viele Erwachsene, die von einer familiären bzw. angeborenen Schwerhörigkeit gar nichts wissen.
Wer dauerhaftem Lärm ungeschützt ausgesetzt ist oder war büßt über die Jahre Teile seiner „Haarzellen im Innenohr“ ein; die Folge ist ein funktionsunfähiger Frequenzbereich in den höheren Frequenzen. Bei entsprechender Ausprägung entsteht eine Lärmschwerhörigkeit, oft in Kombination mit Tinnitus.
Zu den selteneren Formen der Schwerhörigkeit gehören die nach Chemotherapie (Cisplatin) bzw. im Rahmen von neuro-degenerativen Erkrankungen oder Infektionen des Gehirns (Meningitis).
Weitere Gruppe sind einseitige Schwerhörigkeiten, die spezifische Ursachen haben. Hierzu gehören ein Zustand nach Hörsturz, der Morbus Meniere (Innenohrerkrankung, die meist mit Schwindelanfällen auftritt), chronische Entzündungen oder ein einseitiges Lärmtrauma.
Welche Art Hörgerät käme für mich in Frage?
So unterschiedlich die Ursachen der Schwerhörigkeit sein können, so variantenreich ist auch die Ausprägung (leicht, mittelgradig, schwer) und Form von Schwerhörigkeit. So gibt es Schwerhörigkeiten, die nur die hohen Frequenzen betreffen oder nur die Tiefen (z.B. nach Hörsturz oder bei Morbus Meniérè vorkommend). Andere wiederum betreffen das gesamte Frequenzspektrum.
Dementsprechend vielfältig sind auch die Bauformen der Hörgeräte. Denn nicht jede Art von Schwerhörigkeit kann mit jedem Hörgerät optimal versorgt werden.
Im Folgenden möchte ich nur ein paar Worte zu den gängigen Formen verlieren und einen Ausblick auf innovative Vesorgungsformen geben. Der Hörgeräte-Akustiker ist in diesem Bereich der Spezialist und kann Sie hierzu ideal beraten.
Hörgerät-Versorgungsformen
Am bekanntesten sind das HdO-Gerät (Hinter-dem-Ohr) und dass IO-Gerät (Im-Ohr). Generell kann man sagen, dass HdO-Geräte besser für eine Hochton-Schwerhörigkeit geeignet sind, IO-Geräte besser für eine pantonale Schwerhörigkeit, also die das ganze Frequenzspektrum betreffen. Dies liegt daran, dass bei reinen Hochtonschwerhörigkeiten das Ohrpassstück noch gut hörbaren, tieffrequenten Schall quasi ausgesperrt. Man spricht hier vom Okklusionseffekt. Leider kommt es immer wieder vor, dass eine Hochtonschwerhörigkeit aus optisch-kosmetischen Gründen mit einem IO-Gerät versorgt wird. Oft steht dann der Patientenwunsch nach so einem Gerät im Vordergrund, letzten Endes aber ist der Patient dann unzufrieden, weil der Okklusionseffekt zu einem unangenehmen Höreindruck führen kann.
Die moderne Hörgeräte-Generation
Inzwischen gibt es sehr moderne, kompakt gebaute HdO-Geräte, die kaum mehr auffallen. Der verstärkte Schall wird nicht mehr über den Hörschlauch in den Gehörgang übertragen, sondern über ein dünnes Kabel, was die Geräte sehr viel kleiner machte (sog. Ex-Hörer-Geräte, RIC-Geräte = Receiver in canal, Hörer im Gehörgang). Das derzeit kleinste Gerät passt hinter eine 2-cent-Münze (siehe Bild rechts).
Inzwischen gibt es weitere Geräte, die bei leichter Schwerhörigkeit komplett im Gehörgang verschwinden (sogenannte CIC-Geräte (completely-in-canal oder IIC-Geräte, invisibly-in-ear), siehe Abbildungen links.
Seit einiger Zeit neu ist der sog. Hörschmuck. Dies ist eine tolle Möglichkeit für Damen Hörgeräte dezent zu tragen. Dabei verschwindet das hochmoderne Hörgeräte-Technik in einem Ohrclip (EORA), ist also in einem Schmuckstück versteckt.
Welche Funktionen bieten moderne Hörgeräte noch?
Während die ersten Hörgeräte-Generationen den Schall lediglich verstärkten, bieten moderne Hörgeräte zahlreiche Zusatzfunktionen. Neben automatischen Programmen, die sich je nach Hörsituation anpassen, gibt es Möglichkeiten die Geräte mit Telefon, Smartphone, Fernseher, Stereoanlage und Computer per bluetooth zu koppeln. Über Smartphones kann man die Hörgeräte auch bedienen und wer kein Smartphone besitzt verwendet hierzu eine Fernbedienung. Inzwischen ist sogar der direkte telemedizinische Kontakt zum Hörgeräteakustiker über eine App (TeleCare) möglich. Auch das gerade für ältere Patienten manchmal problematische Wechseln der Batterien ist bei mehreren Herstellen zugunsten einer Akkulösung verlassen worden – man legt die Geräte einfach am Abend in die Ladeschale (siehe Abbildung).
In den letzten Jahren hat sich auf dem Hörgerätemarkt unheimlich viel getan. Viele technischen Neuerungen sind inzwischen (auch bei günstigeren bzw. zuzahlungsfreien Geräten) Standard. An technischen Finessen ist zum Beispiel die Rückkopplungsreduzierung (damit es nicht mehr pfeift beim Einsetzen/Herausnehmen der Geräte), Störschall-Unterdrückung, Windgeräusch-Uunterdrückung, Impulsschall-Unterdrückung (Geschirrklappern) und Lautstärkenautomatik zu nennen.
Man muss jedoch sagen, dass diese Technik auch seinen Preis hat und gerade ältere Patienten mit diesen Zusatzfunktionen oft überfordert sind oder sie gar nicht nutzen möchten (Überversorgung), während junge, technikaffine Patienten von solchen technischen Raffinessen profitieren können.
Zusammenfassend sind die Bedürfnisse von Patient zu Patient höchst unterschiedlich. Es gibt daher nicht das EINE Hörgerät. Das teuerste ist nicht immer das Beste, denn sogar die günstigsten Geräte verwenden moderne digitale Technologie.
Ich werde auch immer wieder gefragt, was ein gutes Gerät kosten soll. Das ist pauschal nicht so zu beantworten. Je stärker der Hörverlust, desto höher die Anforderung an das Hörgerät, das dann meist ein wenig größer ausfällt. Je kleiner, also kompakter die Bauform, desto teurer wiederum wird das Gerät. Auch kosten die erwähnten Zusatzfunktionen oder besondere Ansprüche an das Design einen Aufpreis.
Wir empfehlen daher sich vor einer Versorgung ausführlich beraten zu lassen und mehrere (verschiedene Preisklassen, mit / ohne Zusatzfunktionen) Geräte in verschiedenen Alltagssituationen ausgiebig zu testen.
Der optimale Zeitpunkt der Versorgung
Generell gilt, dass spätestens bei Auftreten eines Leidensdruck der ideale Zeitpunkt gekommen, aber nicht selten bereits überschritten ist. Den aufgrund des meist schleichenden Verlaufs entwickeln Schwerhörige Strategien um den Alltag auch mit eingeschränktem Hörvermögen zu meistern. Leider verstreicht hier unnötig Zeit. Denn je früher die Versorgung mit einem oder zwei Geräten erfolgt, desto besser werden diese Hilfsmittel akzeptiert.
Denn Hören kann man verlernen. Werden die entsprechenden neuronalen Strukturen nicht genutzt, verkümmert zunehmend die Fähigkeit die Höreindrücke zu verarbeiten, also insbesondere Sprache zu verstehen. Die ungenutzten Areale im Bereich der Hörrinde werden dann quasi umgenutzt und bekommen andere Aufgaben. Je länger man in Stille lebt, desto stärker fällt diese Hörermüdung aus und desto schwerer ist es diese mit Hörgeräten zu beheben bis dies überhaupt nicht mehr möglich ist.
Gelingt die Versorgung dann noch, weiß man, dass die Dauer, bis man sich an Hörgeräte gewöhnt hat und den Gewinn an Lebensqualität annimmt, mit zunehmender Dauer der Schwerhörig zunimmt. Man tut sich auch einfach schwerer, wenn man nach langer Zeit wieder Straßenlärm oder Geschirrklappern wahrnimmt.
Wie kann ich feststellen, ob ich ein Hörgerät brauche?
Wenn Sie also bereits den Verdacht haben, dass Sie schwerhörig sein könnten, sollten Sie einen HNO-Arzt für einen Hörtest aufsuchen. Es liegt vermutlich eine Schwerhörigkeit vor, wenn Sie nur eine der folgenden Aussagen bestätigen können:
- Ich habe mir schon einmal gedacht, dass ich schlechter höre
- Ich kann das Ticken meiner Uhr nicht mehr hören
- Ich habe Schwierigkeiten den Fernseher zu verstehen, trotz guter Lautstärke
- Ich bin bereits von Personen aus meinem Umfeld darauf angesprochen worden
- Ich meide Menschenansammlungen, Gesellschaften und Restaurantbesuche, weil ich bei Gesprächen in geräuschvoller Umgebung nicht mehr richtig mitkomme und häufig nachfragen muss
- Ich habe Probleme, die Richtung klingelnder Fahrräder zu identifizieren
- Ich muss den Fernseher häufig lauter drehen
Es gibt auch zahlreiche Online-Hörtests (z.B. von Sivantos/Siemens), welche das Hörvermögen jedoch nur recht grob testen. Im Zweifel scheuen Sie sich nicht einen HNO-Arzt aufzusuchen. Wir beraten Sie gerne zu einer möglicherweise vorliegenden Schwerhörigkeit.
Denn nicht jede Schwerhörigkeit muss gleich mit einem Gerät versorgt werden. Ihr HNO-Arzt berät Sie bei einer leichten Schwerhörigkeit über das weitere Vorgehen, ob man noch warten kann oder ob eine frühzeitige Versorgung doch Sinn macht.
Außerdem gibt vielfältige Ursachen für schlechtes Hören, die noch in der Sprechstunde behoben (z.B. Ohrenschmalzpröpfe, Behandlung einer Infektion) oder auch operativ korrigiert werden können (z. B. bei Otosklerose oder einem Loch im Trommelfell).
Mein HNO-Arzt empfiehlt mir Hörgeräte – wie geht es jetzt weiter?
Nun wurde bei Ihnen eine Schwerhörigkeit nachgewiesen und Ihr HNO-Arzt hält die Versorgung mit Hörgeräten für sinnvoll. Wie ist der weitere Ablauf?
Sie erhalten eine Verordnung, also ein Rezept, auf welchem der Arzt die Befunde von Hörtest und Sprachhörtest, Besonderheiten bzgl. der Anatomie des Gehörgangs und weitere Befunde notiert und die Notwendigkeit einer Hörgeräteversorgung attestiert.
Mit dieser Verordnung suchen Sie sich einen Akustiker, der gut für Sie zu erreichen ist. Denn im weiteren Verlauf werden Sie diesen öfter kontaktieren – nicht nur während der Auswahl- und dann Einstellungsphase, sondern auch im Verlauf, wenn es um Batterien, Ersatzteile oder Nachstellungen geht. Aber nicht nur die räumliche Nähe ist ein Auswahlkriterium. Vor allem muss die Chemie stimmen. Ich empfehle daher auch immer sich im Bekanntenkreis umzuhören, ob jemand gute Erfahrungen mit einem bestimmten Akustiker gemacht hat. Man sagt, die Verbindung zum Akustiker kann bisweilen länger als manche Ehe halten ;-). Sie können sich bereits im Vorfeld in verschiedenen Akustikergeschäften einen Eindruck machen und sich kostenfrei vorab beraten lassen.
Beim ersten Besuch beim Akustiker werden verschiedene Geräte besprochen, Bedürfnisse an Komfort, Funktion, Design und Preisvorstellungen abgefragt und eine Vorauswahl getroffen. Ein guter Hörgeräteakustiker gibt Ihnen die Möglichkeit mehrere Geräte für einen längeren Zeitraum zu testen, so dass diese Testphase meist Wochen bis Monate andauern kann. Während dieser Zeit stehe ich mit allen Akustikern in Nürnberg im engen Austausch.
Den Abschluss dieser Phase bildet schließlich die Auswahl des Wunschgerätes und die definitive Anpassung desselben. Der Hörgeräteakustiker erstellt einen Anpassungsbericht. Mit diesem Stellen Sie sich dann wieder bei Ihrem HNO-Arzt vor. Dieser überprüft nicht nur den Sitz der Geräte und den mit ihnen erzielten Hörgewinn, sondern bespricht mit Ihnen auch medizinische Besonderheiten beim Tragen von Hörgeräten, wie z.B. was zu tun ist beim Auftreten von Juckreiz, Ohrschmalzbildung etc.
Diese Untersuchung, die wir HNO-Ärzte auch Hörgeräte-Abnahme nennen, schließt den Versorgungsprozess ab. Das Ergebnis wird auf der zweiten Seite der Verordnung notiert. Diese wird dann bei der Krankenversicherung eingereicht.
Zu allen Fragen rund um Schwerhörigkeit und die Hörgeräteversorgung stehe ich Ihnen gerne in meiner Praxis in Nürnberg Mögeldorf zur Verfügung.
Nicht sehen können trennt von den Dingen. Nicht hören können trennt von den Menschen (Emanuel Kant)
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Hiermit erklärt die Autorin, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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