Hyposensibilisierung – auch in Tabletten- oder Tropfenform zu Hause
Hyposensibilisierung ohne Spritzen?
Gemütlich zu Hause ohne alle paar Wochen zum Arzt zu müssen um sich die Hyposensibilisierung-Spitze abzuholen, 30 min Wartezeit nach der Injektion einplanen zu müssen und nicht mehr so frei planen zu können, weil ja die Termine eingehalten werden müssen?
Das hört sich verlockend an, ist aber tatsächlich möglich, etabliert und sehr wirksam.
Viele Patienten hatten heuer trotz konsequenter antiallergischer Therapie (regelmäßige Einnahme von Antihistaminika, Anwendung von antiallergischem Nasenspray und Augentropfen) und Einhaltung von Karenzmaßnahmen (zB. Haarewaschen vor dem Zubettgehen) mehr allergische Beschwerden als sonst. Dies betraf bis jetzt vor allem die Baumpollen, wie es sich mit den Gräsern entwickeln wird steht noch aus, bisher war es für eine starke Belastung zu regnerisch. Jedenfalls steht dann immer die Frage im Raum – was kann man noch tun? Diese Frage kann ich eindeutig beantworten – mit der Hyposensibilisierung, der sogenannten spezifischen Immuntherapie.
Ich bin im Patientengespräch immer wieder überrascht, wie viele Patienten Hyposensibilisierung ausschließlich mit Spritzen verbinden und dieser wirksamen Therapie oft recht ablehnend gegenüberstehen. Selbstredend ist eine Injektionstherapie nicht etwas für jedermann, insbesondere ist sie bei Kindern erst mal nicht sehr beliebt, dabei tun die dünnen Nädelchen nicht wirklich weh.
Was offenbar nur wenige Betroffene wissen – die Behandlung kann auch in Form von Schmelztabletten oder Tropfen durchgeführt werden! Dies hat mich veranlasst nun etwas Aufklärungsarbeit zu leisten.
Zunächst möchte ich jedoch etwas zur Allergie-Hyposensibilisierung im Allgemeinen erklären, weiter unten komme ich dann zur der Therapie mit Tabletten oder Tropfen, ggf. runterscrollen.
Was passiert bei der Hyposensibilisierung?
Bei der spezifischen Immuntherapie – sie wird so bezeichnet, weil es zum Switch im Immunsystem kommt – bildet sich eine Toleranz des Immunsystems gegenüber den betreffenden Allergenen aus. Dies dauert zwar etwas, in der Regel benötigt das Immunsystem drei Jahre um diesen Switch nachhaltig zu vollziehen, d.h. dass die Symptomlinderung noch deutlich über das Therapieende hinaus anhält. Die Hyposensibilisierung ist die einzige kausale Therapieoption: während Antihistaminika nur die Symptome lindern, packt die „Hypo“ das Problem an der Wurzel. Ziel der Therapie ist nicht nur eine nachhaltige Symptomlinderung, sondern auch die Vermeidung bzw. eine Linderung eines allergischen Asthmas. Darüber hinaus bilden sich im Verlauf, gerade bei jüngeren Patienten, weniger neue Allergien aus. Ein allergieanfälliger Körper neigt nämlich zu Ausbildung zu weiteren Allergien. Somit ist die Hyposensibilisierung eine tolle Behandlungsmethode für stärker von Allergien Betroffene.
Für wen ist die Therapie geeignet?
Sie ist geeignet für Allergiepatienten aller Altersklassen, die meisten Präparate sind bereits ab dem fünften Lebensjahr zugelassen. Ich persönlich fange mit der Therapie gerne erst im späten Grundschulatlter an. Die Kinder müssen begreifen, warum sie die Medikamente bekommen, das setzt auch einen entsprechenden Leidensdruck voraus, der üblicherweise erst nach mehreren Saisons mit Beschwerden besteht. Die Allergie muss nachgewiesen sein (Allergietest, Pricktest, Labortest), die Beschwerden eindeutig der Allergie zuzuordnen und mindestens mittelschwer sein (einmal Niesen / Pollensaison reicht da nicht) und an mehr als vier Tagen/Woche in mehr als vier Wochen / Jahr (sog. ARIA-Kriterien). Leider gibt es nicht für alle Allergien auch entsprechend wirksame Therapieallergene…. Für die meisten Inhalationsallergien (Bäume/Birke, Gräser, Hausstaubmilben) gibt es jedoch zahlreiche Präparate mit nachgewiesener Wirkung.
Wie läuft die Hyposensibilisierungs-Behandlung ab?
Die altbekannte Methode ist die Behandlung mit Spritzen, viele kennen diese Behandlungsform von Freunden und Bekannten. Nach einer Phase mit engmaschigen Terminen (in der Regel zwischen zwei und zwölf Wochen) wird das Allergen nur noch alle 4-6 Wochen in das weiche schmerzarme Gebiet am hinteren Oberarm injiziert. Nach jeder Injektion muss der Patient einige Zeit (30 min) zur Überwachung in der Praxis bleiben, denn es kann sehr selten zu stärkeren allergischen Nebenwirkungen kommen (Atemnot, Juckreiz, Unwohlsein, im Extremfall auch ein allergischer Schock, was aber sehr sehr selten ist). Solche Nebenwirkungen sind gute behandelbar, aber nur, wenn der Patient auch noch in der Praxis verweilt.
Die Therapie läuft über drei Jahre, danach sind die Beschwerden in der Regel für viele Jahre meist deutlich abgemildert und das Risiko einer Asthmaentwicklung deutlich reduziert.
Orale Hyposensibilisierung (spezifische sublinguale Immuntherapie)
Schon seit vielen Jahren gibt es auch die Möglichkeit die Therapieallergene in Form von Schmelztabletten oder Tropfen einzunehmen. Das weiß offenbar aber der Großteil der Patienten nicht…. denn ich bin im Patientengespräch immer wieder überrascht, wie viele Patienten Hyposensibilisierung ausschließlich mit Spritzen verbinden und dieser wirksamen Therapie oft recht ablehnend gegenüberstehen. Selbstredend ist eine Injektionstherapie nicht etwas für jedermann, insbesondere ist sie bei Kindern erst mal nicht sehr beliebt, dabei tun die dünnen Nädelchen nicht wirklich weh.
Es sind aber nicht nur die Injektionen, die den Ausschlag zur unabhängigen Therapie mit Einnahmemedikamenten zu Hause geben. Viele Patienten sind vielbeschäftigt und oft unterwegs, kommen von weit her oder die Praxis ist nicht so leicht zu erreichen. Gerade Eltern schätzen es, wenn sie nicht ständig den Nachwuchs zum Arzt fahren müssen.
Aber das Wichtigste – die Wirkung spricht für sich – bereits nach wenigen Wochen stellt sich eine Linderung der Beschwerden ein. Es geht also wirklich schnell mit den Therapieerfolgen. Es gibt orale Präparate bei Pollen- (Gräserpollen, Baumpollen/ Birkenpollen, Beifusspollen) Hausstaubmilben- und sogar bei Tierhaarallergie.
Die Therapie kann sogar noch während der Pollensaison begonnen werden, manche Patienten bemerken bereits noch während dieser eine Besserung ihrer Symptome, spätestens aber in der darauf folgenden Saison wird es meist deutlich besser.
Und nun kommt die eigentlich einzige Crux – man muss die Medikamente JEDEN Tag einnehmen. Wie bei den Injektionspräparaten dauert die Therapie ebenfalls drei Jahre. Wenn man sich für die orale Therapie entscheidet, sollte man daher etwas organisiert sein, bereits mit der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten vertraut sein (zB Schilddrüsentablette, Antibabypille) oder organisierte Eltern, die jeden Tag auf die Einnahme achten 😉.
Und noch etwas: in der Anfangsphase kann es zu Lokalreaktionen an der Kontaktstelle im Mundraum kommen. Meist kommt es nur zu leichtem Kribbeln, Jucken, auch in den Ohren, gelegentlich gibt es auch Schwellungen der Mundschleimhaut. Bedrohliche Symptome habe ich noch nie erlebt (die erste Tablette wird in der Praxis unter ärztlicher Aufsicht eingenommen). In der Regel verschwinden diese umschriebenen Nebenwirkungen nach meist zwei, spätestens vier Wochen. Um mögliche auftretende Beschwerden abzuwenden gibt es verschiedene Tricks – darüber und über noch vieles mehr kläre ich bei der ersten Einnahme ausführlich auf.
Und danach gehts zu Hause weiter. Nur noch in größeren mehrmonatigen Abständen ist eine Kontrolle in der Praxis notwendig. Wirklich praktisch, eine so wirksame Therapie auch daheim durchführen zu können!
Kleiner Disclaimer: mit „werben“ meine ich Werbung-machen für die Sache, also die Möglichkeit der Hyposensibilisierung und im speziellen für die orale Therapieform. Nicht jedoch für ein spezielles Präparat eines speziellen Herstellers! Die Packung ist nur ein Beispiel und steht stellvertretend für alle Hersteller von oralen Therapieallergenen.