Häufige HNO-Erkrankungen beim alternden Menschen

Anlässlich des vergangenen Aktionstags im Oktober diesen Jahres „Tag der Sinne“ mit dem Schwerpunktthema „Altern mit allen Sinnen – wie kann dies gelingen?“ möchte ich über typische altersassoziierte Erkrankungen aus unserem HNO-Fachgebiet informieren. Im Laufe des Lebens durchläuft der menschliche Körper verschiedene Phasen, und mit dem Alter steigt auch das Risiko für bestimmte HNO-bezogene Gesundheitsprobleme. Im Folgenden befasse ich mich mit altersassoziierten Erkrankungen in der HNO-Heilkunde, ihren Ursachen, Symptome, Prävention und Behandlungsmöglichkeiten.Hierzu gehört nicht nur die weitläufig vorkommende Altersschwerhörigkeit, sondern viele andere Funktionsstörungen.

Schlafapnoe

Mit zunehmendem Alter schwindet Muskelmasse, damit lässt der muskuläre Tonus des Rachengewebes nach und folgt der Schwerkraft. Leider zeigt häufig auch die Gewichtskurve nach oben, da sich altersbedingt der Stoffwechsel verlangsamt oder körperliche Aktivität zunehmend schwerfällt. Die Folge von erhöhtem Gewicht und zunehmender Erschlaffung des Gewebes kann ein enger und zum Kollaps neigender unterer Schlund sein, der nachts beim Atmen quasi in sich zusammenfällt und die Atemwege verschließt. In der Folge kommt es zu Atempausen, in deren Folge wiederum der Sauerstoffgehalt im Blut absinken kann – Schlafapnoe. Während bei Männern Schlafapnoe auch in jüngeren Jahren auftreten kann sind Frauen meist erst nach den Wechseljahren (Östrogen wirkt hier schützend) betroffen.

Solche schlafbezogenen Atmungsstörungen stellen einen Risikofaktor für das Herz-Kreislauferkrankungen wie Hypertonie, Arterienverkalkung, Herzinfarkt und Diabetes dar. Oft fällt den Patienten gar nicht auf, dass sie unter einer Schlafapnoe leiden. Während alternde Männer oft laut Schnarchen und hörbare Atempausen eingestreut sind, sind die Symptome bei Frauen oft diskreter und zeigen sich oftmals lediglich in Erschöpfung, Antriebsschwäche und Depression. Ein Mittagstief oder ein Nachmittagsnicker wird dann oft dem Alter an sich zugeschrieben. Eine Abklärung beim HNO-Arzt kann die Diagnose aufdecken (siehe auch unter Abklärung einer Schlafapnoe).

Je nach Ausprägung der Schlafapnoe kommen verschiedene Therapieoptionen in Frage: Gewichtsreduktion, sogenannte Unterkieferprotrusionsschienen, Überdruckbeatmung (CPAP-Therapie), Positionstherapie (bei Schlafapnoe, die zB nur in Rückenlage auftritt) sowie operativer Verfahren wie Zungengrundschrittmacher oder erweiternder Eingriffe im Mund-Rachenraum.

Altersschwerhörigkeit

Die Altersschwerhörigkeit, auch Presbyakusis, ist eine allmähliche und natürliche Beeinträchtigung des Hörvermögens, die mit zunehmendem Alter auftritt. In Deutschland ist sie eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im Alter und betrifft etwa ein Drittel der Menschen über 65 Jahre. Menschen mit Presbyakusis erleben oft Schwierigkeiten beim Verstehen von Gesprächen in lauter Umgebung oder beim Hören von hohen Frequenzen.

Die Ursachen der Altersschwerhörigkeit sind vielfältig und umfassen sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren. Die häufigste Ursache ist der natürliche Alterungsprozess, der zu einer Abnahme der Anzahl und Funktion der Haarzellen im Innenohr führt. Diese Zellen sind für die Umwandlung von Schallwellen in elektrische Signale verantwortlich, die das Gehirn als Geräusche interpretiert. Andere Faktoren, wie Lärmexposition, bestimmte Medikamente und Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck, können ebenfalls zur Entwicklung und Beschleunigung einer Altersschwerhörigkeit beitragen.

Leider bestehen bis heute keine spezifischen medikamentösen Therapieoptionen. Es bleibt lediglich die Versorgung mit Hörgeräten ab einem bestimmten Grad der Schwerhörigkeit. Wichtig ist hierbei den „richtigen“ Zeitpunkt der hörprothetischen Versorgung nicht zu verpassen. Denn je länger man in Stille lebt, desto schwerer fällt es dem Schwerhörigen sich an die neue Hörsituation zu gewöhnen. In vielen Fällen scheitert die erfolgreiche Versorgung mit Hörhilfen auch, da sich zentrale Hörbahnanteile, wenn sie lange nicht genutzt wurden, zurückziehen können (sogenannte Hörermüdung). Dies resultiert in schlechtem Sprachverständnis bei noch einigermaßen vorhandenem Hörvermögen. Eine schlichte Hochregelung der einzelnen Frequenzen führt dann nicht mehr zu einem besseren Verständnis. Dies lässt sich leider auch nicht mehr aufholen. Inzwischen ist vielfach belegt, dass eine nicht-versorgte Schwerhörigkeit (i.e. mit Hörgeräten) der häufigste vermeidbare Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz ist.

Die Prävention von altersassoziierten Hörproblemen umfasst den Schutz vor Lärmexposition, die Vermeidung von Ohrverletzungen und regelmäßige Hörtests. Wir empfehlen daher ein Hörscreening ab dem 60.-65. Lebensjahr für eine „Bestandsaufnahme“ und um Kontrolluntersuchungen in den Folgejahren entsprechend planen zu können.

Weitere umfangreiche Informationen finden Sie in dem folgenden Fachartikel im Ärzteblatt über Presbyakusis.

Altersschwerhörigkeit Hochtonschwerhörigkeit

Gleichgewichtsstörungen des alternden Menschen

Das Gleichgewicht ist ein lebenswichtiger Aspekt unserer körperlichen Funktionen, der es uns ermöglicht, aufrecht zu stehen und uns sicher zu bewegen. Mit zunehmendem Alter kann jedoch das Gleichgewichtsgefühl beeinträchtigt werden, was zu Stürzen und Verletzungen führen kann. Dabei kommen verschiedene Aspekte zusammen, welche zu einem oftmals ungerichteten Schwindelgefühl bzw. einer Gangunsicherheit führen können.
  • Verminderung der Muskelmasse und -kraft: mit dem Alter nimmt die Muskelmasse ab, was die Stabilität beeinträchtigen kann.
  • Vestibuläre Funktionsstörungen: sas Innenohr, das für die Wahrnehmung von Gleichgewicht verantwortlich ist, kann im Alter an Funktionsfähigkeit verlieren (z. B. bei der bilateralen Vestibulopathie)
  • Alterssschwerhörigkeit kann die akustische Raumwahrnehmung einschränken (z.B. Orientierung über Wiederhall, Ortung von Schallquellen)
  • Verlust der propriozeptiven Fähigkeiten: die Fähigkeit, die Position des eigenen Körpers im Raum wahrzunehmen, kann im Alter abnehmen.
  • Nachlassende Sehfähigkeit: die optische Kontrolle ist eine enorm wichtige Teilkomponente zur Gleichgewichtswahrnehmung.
  • Nebenwirkungen von Medikamenten: hier spielen insbesondere zentral wirksame Medikamente eine Rolle.
  • Chronische Erkrankungen: Diabetes, neurologische Erkrankungen (Parkinson, Polyneuropathie)
  • Flüssigkeitsmangel: alternde Menschen verfügen über ein geringer ausgeprägtes Durstempfinden. Hypovolämie kann über erniedrigten Blutdruck und damit verbundenen Kreislaufstörungen Gleichgewichtsstörungen verstärken.
Die Behandlung von Gleichgewichtsstörungen beim alternden Menschen erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise.
  • Physiotherapeutische Übungsbehandlungen können die Muskulatur stärken und das Gleichgewicht verbessern (z.B. sogenannte Gangschule, Kräftigungsübungen)
  • Änderung der Medikamentenzusammensetzung, sofern möglich können gegebenenfalls bestimmte Medikamente um- oder abgesetzt werden.
  • Hör- und Sehtests: Probleme mit dem Hören oder Sehen können Gleichgewichtsstörungen verstärken. Regelmäßige Tests und die Verwendung von Hör- oder Sehhilfen können helfen.
  • Auf ausreichende Flüssigkeitsaufnahme achten.
  • Sturzprävention: Maßnahmen wie das Entfernen von Stolperfallen im Haus, das Anpassen von Fußbekleidung und das Erlernen von Techniken zum richtigen Stürzen können das Risiko von Verletzungen reduzieren.
  • Und last gut Not least kann eine gesunde Lebensweise mit Rauchverzicht und Alkohol in Maßen zur allgemeinen Vitalität beitragen.

Alterstropfnase / chronische senile Rhinitis

Die Nase spielt eine entscheidende Rolle in der Atmung und dem Geruchssinn. Mit zunehmendem Alter können verschiedene Nasenprobleme auftreten. Eine häufige altersassoziierte Erkrankung ist die Rhinitis senilis, die sogenannte Alterstropfnase. Die Nase läuft wässrig und unkontrolliert, klares Sekret bleibt häufig an der Nasenspitze hängen.

Ursächlich sind mehrere Aspekte: zum einen führt die altersbedingte Veränderung der Nasenschleimhaut zu weniger zäher Schleimbildung (die schleimbildenden Becherzellen werden weniger), gleichzeitig kommt es zu einem Nachlassen der Flimmerhärchentätigkeit. Darüber hinaus wird die Nasenschleimhaut mit zunehmendem Alter trockener, worauf der Körper wiederum mit einer vermehrten Sekretproduktion reagiert. Hinzu kommen anatomische Veränderung wie das Absinken der Nasenspitze, was das vermehrte Fließen nach vorne begünstigen. Therapeutisch kommen Nasensprays mit Ipratroprium (Anticholinergika) oder hypertoner Kochsalzlösung in Frage, manchmal helfen auch kortisonhaltige Nasensprays. Leider bleibt die chronische Nasensekretion aber von jeglicher Behandlung unbeeindruckt. Eine kausale Behandlungsmethode gibt es leider nicht.

Riechstörungen im Alter

Der Geruchssinn spielt eine entscheidende Rolle in unserem täglichen Leben, indem er uns hilft, Nahrung zu erkennen, Gefahren wahrzunehmen und Erinnerungen zu wecken. Mit zunehmendem Alter lässt der Geruchssinn bei den meisten Menschen nach.

Die Ursachen für Riechstörungen im Alter sind vielfältig. Eine der häufigsten Ursachen ist die altersbedingte Riechminderung, auch als Presbyosmie bezeichnet. Bei dieser Form der Riechstörung nimmt die Anzahl der Riechrezeptoren in der Nasenschleimhaut ab. Im Alter häufig trockene Nasenschleimhäute können dies begünstigen, weil das Medium Nasensekret für die Geruchsmoleküle und die Fähigkeit an die Riechrezeptoren anzudocken, reduziert ist.

Die Auswirkungen von Riechstörungen im Alter können erheblich sein. Sie können zu vermindertem Appetit führen, da der Genuss von Speisen und Getränken durch den Verlust des Geschmacks- und Geruchserlebnisses eingeschränkt ist. Dies kann zu Mangelernährung und Gewichtsverlust führen. Darüber hinaus können Riechstörungen die Fähigkeit zur Wahrnehmung von Gefahren, wie beispielsweise verdorbener Nahrung, Brandgeruch oder Gase, beeinträchtigen.

Bestimmte neurologische Erkrankungen, wie das Parkinson-Syndrom, dementierte Syndrome (Alzheimer-Demenz), Chorea Huntington, Multisystematrophie und weitere sind typischerweise mit einem nachlassenen Geruchsempfinden (Hyposmie) oder einem kompletten Geruchsausfall (Anosmie) assoziiert. Insbesondere können Riechminderungen mitunter Jahre vor ersten Symptomen bei Parkinson und Alzheimer auftreten und bedürfen daher einer Abklärung.

Bei Presbyosmie, bei der spezifische Ursachen (s.o.) ausgeschlossen wurden, gibt es keine spezifische Heilung. Kommt es hierdurch zu Mangelernährung kann es jedoch hilfreich sein, Lebensmittel und Gewürze mit stärkerem Geschmack zu verwenden, um den Genuss von Mahlzeiten zu steigern. Wenn die Riechstörung auf eine zugrunde liegende Erkrankung oder Medikamente zurückzuführen ist, kann die Anpassung der Therapie eine Verbesserung des Geruchssinns bewirken.

Altersassoziierte Schluckstörungen

Das Schlucken ist ein komplexer Vorgang, der ein ein abgestimmtes Zusammenspiel von oropharyngealer Sensibilität, zeitgerechten Nervenimpulsen und muskulärer Aktivität erfordert. Im Alter können daher Schluckprobleme auftreten, die als Dysphagie bezeichnet werden. Dies kann zu Schwierigkeiten beim Essen und Trinken führen und das Risiko von Aspiration, bei dem Nahrung oder Flüssigkeiten in die Atemwege gelangen, erhöhen.

Bei altersbedingter Dysphagie sind gezielte logopädische Übungsbehandlungen sinnvoll undkönnen helfen, die Schluckfunktion zu verbessern. Darüber hinaus sollte auf kleine, aber dafür häufigere Mahlzeiten geachtet werden. Ein wichtiger Aspekt sind auch die langsame und bewusste Nahrungsaufnahme (kein Fernseher, Radio oder Lesen beim Essen), das nach Vorneneigen des Kopfes (verbessert die Abdichtung der Luftwege durch den Kehldecken) oder das Andicken von Speisen und Getränken.

Altersstimme / vox senilis

Der typische Stimmklang im Alter ist oft hauchig und heiser, mal heller, bei Frauen oft dunkler. Bei der Altersstimme ist die stimmliche Belastbarkeit reduziert und es fehlt an Lautstärke-Power. Diese Symptome sind auf eine altersbedingte Stimmbandatrophie zurückzuführen – die Stimmbänder sind schlaff, zu schlank und berühren sich bei der Stimmgebung langstreckig nicht in der Mitte. Die Stimmbandschichten bestehen aus unter anderem aus Kollagen und Elastin. Diese Proteinfasern involutieren mit zunehmendem Alter, d.h. sie nehmen ab. Darüber hinaus kommen altersbedingte Verkalkungen und Verknöcherungen im Bereich des Kehlkopfskelettes hinzu sowie neurodegenerative Komponenten. Sehr häufig beobachtet man die Altersstimme bei alleinstehenden Personen mit wenig Ansprache. Hier fehlt schlichtweg das stimmliche Training, was zu Muskelatrophie des Musculus vocalis führt (hypofunktionelle Dysphonie = Heiserkeit durch Minderfunktion).

Die Presbyphonie ist in der Regel nicht therapiebedüftig, dennoch ist sie abklärungbedüftig weil Heiserkeit und Stimmprobleme auch andere Ursachen haben können. Die Altersstimme ist immer eine Ausschlussdiagnose.

Bei Leidensdruck, zB weil die Teilhabe in Gesellschaft eingeschränkt ist, die Stimme schlecht belastbar ist und bei vermehrter Stimmanstrengung auch Halsschmerzen und Kloßgefühl resultieren können, ist ein Behandlungsbedarf gegeben. Hier hilft gezieltes Stimmtraining. Der Stimmtherapeut (Logopäde) gibt hier Anleitung zu optimaler und druckfreier Benutzung der Stimme; die Übungen müssen selbstverständlich in der Häuslichkeit weitergeführt werden, so dass der Patient im Alltag auch davon profitiert. In einigen hartnäckigen Fällen und bei explizitem Therapiewunsch kann auch eine medikamentöse Behandlung (sogenannte Augmentation, Unterspritzung mit Hyaluronsäure) oder Operation (Einsatz von Implantaten, Thyreoplastik) erforderlich sein.

Altersassoziierte Kopf-Hals-Tumore

Mit zunehmendem Alter steigt mit der Dauer der Exposition gegenüber Zigarettenrauch, beruflich bedingter Gase und Stäube oder bei chronischem Alkoholismus auch das Risiko für Kopf-Hals-Tumore, einschließlich Kehlkopf- und Mundhöhlentumoren. Diese Tumore können lebensbedrohlich sein und erfordern oft eine aggressive Behandlung wie Strahlentherapie oder Chirurgie.

Die Prävention von Kopf-Hals-Tumoren beinhaltet das Vermeiden von Tabakkonsum und übermäßigem Alkoholkonsum, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und eine gesunde Ernährung. Früherkennung und rechtzeitige Behandlung sind entscheidend für die Prognose.

Schlussbemerkungen

Altersassoziierte Erkrankungen in der HNO-Heilkunde sind ein wichtiger Gesichtspunkt der Gesundheitsversorgung im Alter. Durch Prävention, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und eine gesunde Lebensweise können viele dieser Probleme vermieden oder frühzeitig erkannt und oftmals, aber nicht immer erfolgreich behandelt werden. Es ist wichtig, dass Menschen im Alter ihre HNO-Gesundheit im Auge behalten, um ihre Lebensqualität zu erhalten und mögliche Komplikationen zu verhindern. Die enge Zusammenarbeit mit HNO-Ärzten und Fachleuten (wie Akustikern, Logopäden und anderen) ist entscheidend, um die bestmögliche Versorgung und Beratung zu erhalten.