Morbus Meniérè – Meniérèsche Erkrankung

Morbus Meniérè

Die Menieresche Erkrankung (nach Prosper Meniere, Arzt, 19. Jahrhundert) ist eine in der Regel einseitige Innenohrerkrankung. Die Ursachen sind noch nicht hinreichend geklärt. Man vermutet bisher, dass es zu einem Überdruck ein einem von zwei Flüssigkeitskompartimenten des Innenohrs (Endolymphe) kommt, dies wird endolymphatischer Hydrops genannt. Ist der Druck in diesem Innenohrteil zu stark, kommt es nachfolgend zu einem Einreißen der dünnen Membran, die sich zwischen dem Endolymphraum und dem Perilymphraum befindet. Hierdurch kommt es zur Durchmischung der beiden Innenohrflüssigkeiten, was die dann plötzlich auftretenden Symptome (siehe unten) verursacht.

Der Verlauf der Meniereschen Erkrankung ist typischerweise chronisch progredient. In Mitteleuropa sind 200 von 100.000 Menschen betroffen, etwas mehr Frauen als Männer, der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem vierzigsten und fünfzigsten Lebensjahr.

Symptome

Leitsymptom der Meniereschen Erkrankung ist der Attackenschwindel. Dieser Drehschwindel tritt heftig und unvermittelt auf und hält typischerweise mehrere Stunden (meist zwischen einer halben bis zu zwölf Stunden), unter Umständen sogar 48 Stunden an. Es kommt meist zu Übelkeit und Erbrechen. Betroffene Patienten können während des Meniere-Anfalls überhaupt nichts mehr machen, da jede Bewegung zu heftigen Schwindelsymptomen führt. Meist kommt es auch zu einem einseitigen Druck- oder Völlegefühl im Ohr und einer Hörminderung für tiefe Frequenzen, was manchmal nur beim Telefonieren auffällt oder sich in verzerrtem Hören oder unangenehmen Höreindruck äußert. Zu klassischen Meniere-Trias gehören auch tieffrequente (brummende oder rauschende) Ohrgeräusche, die oftmals das erste Symptom darstellen und noch vor dem eigentlichen Schwindelanfall auftreten.

Nicht immer kommen alle drei Symptome - Drehschwindel, Hörminderung, Tinnitus - zusammen vor, die Menieresche Erkrankung kann auch monosymptomatisch (d.h. nur mit einem Symptom) auftreten, was die Erstdiagnose einer Meniere-Erkrankung erschweren kann. Differentialdiagnostisch steht hier ein akuter Gleichgewichtsausfall im Raume. Leiden Patienten unter wiederkehrenden vermeintlichen Gleichgewichtsausfällen kann es sich um einen M. Meniere handeln.

Zu Anfang der Erkrankung bildet sich die Hörminderung im Anfall nach Abklingen der Schwindelbeschwerden auch wieder zurück. Im Verlauf lässt das Hörvermögen der betroffenen Seite allmählich und mit jedem weiteren Anfall nach, was bis zur Ertaubung führen kann. Man nennt dies Ausbrennen des Meniere, was nach mehrjähriger Erkrankungsdauer auftreten kann und das Spätstadium der Meniereschen Erkrankung beschreibt. Einziger Wehmutstropfen: in diesem Zustand läßt auch die Anfallshäufigkeit der Drehschwindelattacken langsam nach. Der Verlauf der Meniereschen Erkrankung ist aber sehr individuell und schwer vorhersehbar.

Diagnose

Die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt. Das bedeutet, dass die typischen Symptome und otoneurologischen Befunde zur Diagnose führen. Insbesondere wenn in der HNO-Praxis ein Nystagmus als Zeichen einer akuten Gleichgewichtsstörung und gleichzeitig im Hörtest eine Tieftonhörminderung festgestellt wird, liegt die Diagnose Meniérè nahe. Durch Befunde und Anamnese gelingt eine Diagnosestellung in mehr als 90% der Fälle. Die klassische Menieresche Trias Schwindel - Ohrgeräusche - Tieftonhörminderung kommt jedoch nur bei einem Viertel der Patienten vor.

Wie erwähnt können neben dem Drehschwindel weitere typische Symptome fehlen (vestibuläre Form), was die Diagnosestellung  verzögern kann. Manchmal kommt es auch nur zu einem Schwanken der Hörfähigkeit (fluktuierendes Hörvermögen, cochleäre Form) ohne typische Drehschwindelanfälle. Apparative Diagnostik, wie die Elektrocochleographie (Messung von Innenohrpotentialen) wird nicht mehr zur primären Diagnosestellung herangezogen, da sie invasiv ist (es wird mit einer Nadelelektrode durch das Trommelfell gestochen) und nur in der Hälfte der Untersuchungen zu einem eindeutigen Ergebnis führt, insbesondere, wenn es sich um eine frühe Phase der Erkrankung handelt. Außerdem wird sie nur an größeren HNO-Kliniken durchgeführt. Die ECochG wird daher nicht mehr zur Routinediagnostik des Meniere hinzugezogen, sie kann jedoch für bestimmte Fragestellungen ergänzende Informationen liefern. Hierzu gehört auch der nur noch selten durchgeführte Glyceroltest nach Klockhoff, bei dem man durch eine Entwässerung den Druck im Innenohr reduziert. Ein schneller Wiederanstieg der Hörkurve wird als Diagnosekriterium gewertet.

Inzwischen funktioniert es gut, den Endolymphhydrops auch in der Kernspintomographie darzustellen. Über das sog. LEIM (lokal verstärktes Innenohr-MRT) ist eine Darstellung der feinen Innenohrstrukturen mit Erweiterung des endolymphatischen möglich. Hierzu wird das Kontrastmittel Gadolinium im Mittelohr platziert und diffundiert hier in die Perilymphe, aber nicht in die Endolymphe. Der Hydrops wird mit Aussparungen sichtbar. Hier finden Sie einen entsprechenden Artikel mit MRT-Bild des Hydrops.

Therapie

medikamentöse und symptomatische Therapie des M. Meniere

Im akuten Anfall steht die Symptomlinderung im Vordergrund, es werden Antiemetika (Vomex) gegen die Übelkeit und den Brechreiz sowie Bettruhe bis zum Eintreten einer spontanen Besserung verordnet.

Die klassische Dauertherapie zur Anfallsprophylaxe erfolgt mit dem Medikament Betahistin. Oftmals sind zur Verhinderung von Anfällen sehr hohe Dosen notwendig, bis zu 3x72 mg müssen dann eingenommen werden. Hat man eine Anfallsfreiheit erreicht kann die Dosis schrittweise und sehr langsam reduziert werden. Leider sprechen nicht alle Patienten auf diese Therapie an. Auch bestehen Unterschiede bzgl. Des Betahistin-Salzes. Spricht der eine auf Betahistindimesilat gut an, hilft dem anderen Betahistindihydrochlorid besser. Darüber hinaus kommen entwässernde Medikamente zur Anwendung (Diuretika, zB Glaupax). Leider fehlen für die Wirkung der medikamentösen Therapien nach wie vor die wissenschaftlichen Nachweise.

lokale medikamentöse Therapie bei Meniere

Inzwischen weiß man auch, dass die lokale Anwendung von Kortison (intratympanale Kortikoid-Injektion) gute Dienste zur Verhinderung von Meniere-Anfällen leisten kann. Dabei wird Kortison mit einer dünnen Nadel direkt an das Innenohr gegeben. Es gibt verschiedene Protokolle, in der Regel sind mehrere lokale Applikationen notwendig.

Bei manchen Patienten erreicht man weder mit der klassischen Betahistintherapie noch mit Diuretika und lokalem Kortison eine Besserung der Anfallstätigkeit. In diesen Fällen kann man Teile des Innenohres gezielt ausschalten. Zur Anwendung kommt das Medikament Gentamicin, ein Antibiotikum mit bekannterweise innenohrtoxischer Wirkung. Es wird wie bei der therapeutischen Gabe von Kortison (s.o.) durch eine Injektion durch das Trommelfell an das Innenohr gegeben. Leider tritt hierbei im Verlauf auch eine Innenohrschwerhörigkeit auf, weshalb diese Therapie nur bei bereits eingetretener Hörminderung (siehe bei Symptomen) zur Anwendung kommen sollte. Darüber hinaus muss das Hörvermögen intensiv überwacht werden, d.h. Vor jeder Injektion muss ein Hörtest durchgeführt werden. Kommt es zum Absinken des Hörvermögens oder Auftreten von Ohrgeräuschen darf keine weitere Injektion mehr erfolgen. Auch bei dieser Therapie gibt es verschiedene Anwendungsschemata.

Operative Therapie des M. Meniere

Wenn die vorgenannten Therapieansätze keine Wirkung zeigen gibt es auch die Möglichkeit einer chirurgischen Angehensweise. Bei der sog. Saccusexposition werden Teile des Sacchus endolyphaticus (Endolymphatischer Sack) freigelegt, so dass Druckschwankungen der Endolymphe nicht zwangsläufig zu einem Einreißen der Reissner-Membran führen müssen und die Anfälle ausbleiben.

Als ultima Ratio kann der Gleichgewichtsnerv durchtrennt werden. Dabei kommt es aber immer auch zu einer einseitigen Ertaubung, so dass diese Therapie nur bei bleibender belastender Anfallshäufigkeit und ohnehin bestehender ausgeprägter Innenohrschwerhörigkeit nur noch in besonderen Fällen durchgeführt wird.

Alternative Behandlungsmethoden bei Meniere

Meniere-Anfälle schränken die Lebensqualität Betroffener meist erheblich ein, da die Anfälle unvermittelt und natürlich immer dann auftreten, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann. Daher kann es hilfreich sein, wenn sich Patienten mit anderen Patienten zusammen tun (Selbsthilfegruppe) und der Stresslevel durch ein durchdachtes Notfallkonzept (Medikamente gegen Übelkeit immer dabei, enge Anbindung an den HNO-Arzt) möglichst reduziert wird. Hierbei können auch Stressmanagement und Entspannungsverfahren den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Gelegentlich auftretende Begleiterkrankugen wie eine Angststörung oder Depressionen sollten entsprechend professionell behandelt werden.

Auch eine natriumarme (kochsalzarme) Ernährung kann eine gewisse Besserung der Symptome bringen, was im Einzelfall ausprobiert werden muss.

Wenn es zu einer relevanten Hörminderung gekommen ist sollten frühzeitig Hörgeräte angepasst werden. Zwar führt eine Hörgeräteversorgung zwar nicht zu einer geringeren Anfallshäufigkeit, jedoch ist ein gutes binaurales Hören für eine gute Lebensqualität anzustreben. Die Anpassung derselben ist beim Menierepatienten jedoch anspruchsvoll, da das Hörvermögen typischerweise schwankt (fluktuiert) und die Betroffenen häufig unter einer ausgeprägten Geräuschempfindlichkeit leiden.

Literatur

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Disclaimer: die Informationen wurden nach bestem medizinischem Wissen und Gewissen zusammengetragen, die Autorin ist ständig bemüht, das Informationsangebot aktuell und richtig zu halten, kann hierfür jedoch keine Gewähr übernehmen. Stand der Informationen: Januar 2021