Vitamin D – Wirkung, Substitution, Infektneigung

Aus gegebenem Anlass… die Tage sind wieder deutlich kürzer und die Sonne scheint seltener… Kennen Sie die Wirkung von Vitamin D und warum es sinnvoll sein kann? Hier finden Sie umfangreiche Informationen.

Was ist Vitamin D? 

Die D-Vitamine sind für die Regulation des Phosphat- und Kalziumhaushaltes und damit unter anderem für die Stabilität der Knochen verantwortlich. Die wichtigste Form ist Vitamin D3, medizinisch Cholecalciferol. Mithilfe von UV-Strahlung stellt der Körper es in der Haut selbst her, sodass es eigentlich als Hormon bezeichnet werden müsste, den Vitamine werden ausschliesslich über die Nahrung aufgenommen. Voraussetzung ist eine ausreichend intensive und lange UVB-Strahlung. Gibt es hiervon zu wenig, entsteht insbesondere in unseren Breiten schnell ein Mangel – der Winter ist lang, die Tage kurz, man kommt zu wenig an die frische Luft. Man geht davon aus, dass zum Ende des Winters hin fast 60% der Erwachsenen ein Zuwenig an Vitamin D im Körper (unter 20 ng/ml) haben.

Für eine ausreichende Versorgung mit D3 eines hellhäutigen Erwachsenen genügt eine intensive Sonnenbestrahlung von Gesicht und Armen von ca. 12 Minuten täglich. Die notwendige Zeitdauer erhöht sich bei dunkleren Hauttypen (das Hautpigment Melanin absorbiert die UVB-Strahlung), Sonnencreme schon mit geringem Lichtschutzfaktor, bedecktem Himmel, tiefem Sonnenstand und älteren Menschen. Dann kann es bis zu 2 Stunden dauern, bis die notwendige Menge UVB-Strahlung zur Synthese des Vitamin D erreicht ist.

Zunächst hören sich 12 Minuten Sonne am Tag nach einem erreichbaren Ziel an. Jedoch handelt es sich um die Zeitdauer bei Optimalbedingungen, die im Alltag selten erreicht werden (Vollbeschäftigung, Ganzkörperbekleidung im Winter, Sonnenschutzmittel, Zeitmangel, tiefer Sonnenstand am Abend, Luftverschmutzung/Smog…).

Daher stellt sich die Frage, ob es weitere natürliche Quellen oder Vitamin-D-Reserven gibt.

Gibt es weitere (natürliche) Quellen, zB in Nahrungsmitteln?

Wer seine Vitamin-D-Speicher im Fettgewebe bei Optimalbedingungen im Sommer gut gefüllt hat geht erst einmal stärker in die dunklen Monate, als derjenige, dessen Vitamin-D-Synthese bereits unter idealen Lichtbedingungen unterdurchschnittlich sind und dessen Vitamin-D-Speicher  gelehrt sind.

Im Gegensatz zu den anderen Vitaminen lässt sich Vitamin D nicht in ausreichenden Mengen über die Nahrung aufnehmen. Jedoch auch bei Optimalbedingungen mit abwechslungsreicher und ausgewogener Ernährung lassen sich die erforderlichen Vitamin-D-Spiegel nicht erreichen, maximal 10-20% der benötigten Menge können durch die Ernährung gedeckt werden.

Reich an Vitamin D sind vor allem tierische Produkte wie Eier, fetter Seefisch, Kalbfleisch, Innereien und Milchprodukte. Zu dieser Gruppe gehört auch der Lebertran, der früher zur Verhinderung einer Rachitis verabreicht wurde. Vegetarier müssen zu Avocado, Pilzen, Spinat und Kohlarten greifen. Lediglich die Inuit-Eskimos sind in der Lage ihren Vitamin-D-Bedarf über die Nahrung zu decken, was sie aufgrund der klimatischen Bedingungen auch müssen.

Da der Hauptteil der notwendigen Menge aber ohnehin über die lichtabhängige Eigensynthese entsteht, bietet sich auch die tägliche Anwendung einer Vitamin D-Lampe (UVB-Lampe) an. Bei der Anschaffung einer solchen Lampe ist es wichtig, dass die Leuchtmittel auch über die wirksame ultraviolette B-Strahlung verfügen. UVA-Strahlung ist für diesen Zweck nicht brauchbar, weshalb Solariumsbesuche auch nicht zur Vitamin-D-Syntheseleistung beitragen, da Solariumslampen in der Regel nur die schnell bräunende UVA-Strahlung abgeben. Auch normale Tageslichtlampen („Lichttherapie“, für den Schreibtisch) verfügen in der Regel nicht über die entsprechende Strahlung.  Geeignete UVB-Lampen erhalten Sie über die Apotheke oder Online-Apotheken.

Gesundheitliche Bedeutung von Vitamin D

Vitamin D ist im gesamten Organismus aktiv. Das menschliche Genom enthält laut Sutherland et al. mindestens 13000 bekannte Rezeptorbindungsstellen für Vitamin D in den Körperzellen. Somit erklärt sich seine Wirkung auf verschiedene Bereiche im Körper:

Knochenstoffwechsel

Die Hauptaufgabe des Vitamin D ist wie bereits erwähnt die Regulation des Calcium- bzw. Knochenmineralstoffwechsels. Dies erklärt auch den medizinischen Namen. Schwerste Vitamin-D-Mangelzustände führten früher zu Knochenschwund (Rachitis bei Kindern, Osteomalazie bei Erwachsenen). Inzwischen sind diese massiven Mangelzustände in unseren Breitengraden jedoch selten geworden.

Autoimmunkrankheiten

Eine Unterversorgung mit Vitamin D sind nach derzeitiger Erkenntnis jedoch auch ein Risikofaktor für Autoimmunkrankheiten (Multiple Sklerose, Psoriasis, Morbus Crohn, Asthma… ). Bei älteren Menschen kann eine Unterversorgung zu Osteoporose, Demenz, Hirnleistungsstörungen und möglicherweise Krebserkrankungen führen (siehe nachfolgend).

Krebserkrankungen

Zwar ist die Datenlage noch inkonsistent, aber es gibt Hinweise, dass ein niedriger Vitamin D-Spiegel das Krebsrisiko erhöhen könnte (Krebsinformationsdienst, Deutsches Krebsforschungszentrum, VITAL-Studie an über 25.000 Patienten). Die VITAL-Studie ist seit 2017 abgeschlossen, aber es laufen Nachbeobachtungen. Darüber hinaus werden aktuell (Stand November 2019) in Finnland, England und Australien entsprechende Studien durchgeführt. Die finnische Studie über 5 Jahre (Finnish Vitamin D Trial (FIND)) wurde im Oktober 2018 beendet, Studien stehen aber noch aus. 

Immunabwehr

Darüber hinaus weiß man mittlerweile, dass Vitamin D weitere Effekte im Körper hat. Unter anderem beeinflusst es die Killerzellen des Immunsystems, weshalb es auch eine Wirkung bei wiederkehrenden Infekten haben kann. Wissenschaftler der Universität Kopenhagen stellten fest, dass Vitamin D ruhende Immunzellen zu Killerzellen aktiviert und sie beim Kontakt mit einem Erreger mobil macht, was die Abwehr stärkt. Generell gilt, dass eine Infektneigung nur bei Vitamin-D-Mangelzuständen erhöht ist. Besteht kein Mangel an Vitamin D bringt eine Supplementierung keinen Vorteil, was die Infektanfälligkeit betrifft.

Depressive Erkrankungen

Ein direkter Zusammenhang zwischen erniedrigten D3-Spiegeln und Depressionen konnte noch nicht bewiesen werden, doch gibt es begründete Verdachtsmomente. Auffallend ist, dass viele depressive Patienten erniedrigte Spiegel haben. Vitamin D ist an der Synthese des Serotonintransporters 5-HTT beteiligt. Dieser befördert das Glückshormon Serotinin ins Gehirn.

Ob die Winterdepression durch einen generellen Sonnenmangel oder durch verminderte Cholecalciferolspiegel verursacht ist, ist Gegenstand der Forschung. Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang.

Erhöhtes Sterberisiko bei Mangel

Nach einer aktuellen (November 2022) Analyse (Sutherland et al., s.u.) besteht ein erhöhtes Sterberisiko bei Werten von <50 nmol/l ( = 20 ng/ml); Werte < 25 nmol/l (= 10 ng/ml) erhöhten das Risiko früher zu sterben um weitere 25%.

Wie wird ein Mangel festgestellt, was sind die Normwerte?

Durch eine Blutabnahme kann der Spiegel der Speicherform des Vitamin D (25-OH-D3, Calcidiol) schnell bestimmt werden. Dabei besteht ein behandlungsbedürftiger Mangel bei Spiegeln unter 20 ng/ml (= 50 nmol/l). Werte zwischen 20 und 40 ng/ml befinden sich noch im unteren Normalbereich, Werte oberhalb von 40 ng/ml und bis zu 70 ng/ml sind optimal.

Als toxisch, also giftig, gelten Werte oberhalb von 150 ng/ml; noch höhere Werte (> 280 ng/ml) führen zu schwerwiegenden Störungen des Calciumstoffwechsels. Daher sollte eine Supplementierung immer kontrolliert, d.h. per Spiegelkontrolle erfolgen (siehe unten). 

Hinweis: manche Labore geben den Spiegel in nmol/l an, andere wiederum in ng/ml. Dies muss beim Vergleich der Werte von verschiedenen Laboren beachtet werden. 1 ng/ml = 2,5 nmol/l bzw. 1 nmol/l = 0,4 ng/ml.

Wie wird ein Mangel behandelt?

Zunächst sollten die Speicher wieder aufgefüllt werden. Das geht am einfachsten und schnellsten mit Vitamin-D-Kapseln. Ihr Arzt kann den fehlenden Bedarf anhand der Laborwerte und Ihres Körpergewichts errechnen und die Speicher in wenigen Tagen aufsättigen. Hierzu erhalten Sie ein Rezept über ein hochdosiertes Präparat (20.000 Einheiten/ Kapsel) und ein individuelles Einnahmeschema.

Nach Normalisierung der Vitamin D Spiegel sollte darauf geachtet werden, dass dieser konstant bleibt. Das kann entweder durch die o.g. regelmäßige Lichteinstrahlung erfolgen oder, falls das nicht gewährleistet werden kann (gerade im Winter), durch eine konsequente Supplementierung mit Kapseln oder Tabletten.

Noch ist nicht hinreichend geklärt, wieviel orale Zufuhr optimal ist. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) taxiert den täglichen Bedarf auf 800 IE Vitamin E / Tag, für Säuglinge gelten 400 IE / Tag (über die vom Kinderarzt im ersten Lebensjahr empfohlenen Flour-Vitamin-D-Kombinationspräparate). Bei älteren Menschen lässt die Synthese-Leistung in der Haut nach. Kommen chronische Erkrankungen hinzu, die über Mobilitätsproblemen die Aufenthaltszeit im Freien zusätzlich reduzieren, erhöht sich der Bedarf zusätzlich. Für ältere Menschen ab 60 Jahren empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie daher die zusätzliche Einnahme entsprechender Präparate. Sie rät dazu, täglich 1000 bis 2000 IE (internationale Einheiten) Vitamin D und 1000 mg Kalzium einzunehmen. Wahrscheinlich liegt der tatsächliche Bedarf eines Erwachsenen noch deutlich höher, so dass die aktuellen Empfehlungen inzwischen angezweifelt und als deutlich zu niedrig angesehen werden.

Problematisch ist, dass es sich bei den oben genannten Angaben um Schätzwerte handelt, die eine nicht vorhandene Eigensynthese (Herstellung in der Haut, siehe oben) zu Grunde legen. Unstrittig ist jedoch, dass bei den meisten Menschen in unseren Breitengraden eine zusätzliche Zufuhr Vitamin D notwendig ist.

Trotzdem ist eine Selbstbehandlung mit Vitamin-D-Präparaten in Unkenntnis, ob auch tatsächlich ein Mangel vorliegt, kritisch. Denn Vitamin D gehört zu den fettlöslichen Vitaminen (A, E, D, K), die sich im Körper anreichern können und bei Überdosierung gesundheitliche Schäden bewirken können (vermehrte Kalziumaufnahme mit Nierensteinbildung, KHK…). Im Gegensatz zu den wasserlöslichen Vitaminen (B, C) wird ein Zuviel nicht automatisch ausgeschieden. Aus diesem Grund unterliegen hochdosierte Vitamin-D-Präparate (ab 1.000 IE bis 20.000 IE) der Rezeptpflicht. Daher sollte auch eine Selbstmedikation mit den hochdosierten Kapseln ohne vorherige Blutentnahme unterbleiben.

Eine Substitution sollte nur bei Werten unter 50 nmol/l erfolgen. Denn bei Werten darüber konnte nach Sutherland et al kein erhöhtes Sterberisiko mehr festgestellt werden.

Einnahme von D3-Kapseln

Fettlösliche Vitamine sollten mit fettreichen Lebensmitteln eingenommen werden, da so die Resorption im Dünndarm verbessert wird. Ideale Kombinationspartner sind Öle (wie Kokosöl oder Olivenöl), Avocados, Nüsse oder Samen oder einfach mit einem Butterbrot. Die Einnahme sollte am Morgen erfolgen, da es die Bildung des Einschlafhormons Melatonin blockieren kann.

In vielen frei verkäuflichen Präparaten bzw. Nahrungsergänzungsmitteln wird Cholecalciferol an Vitamin K2 gekoppelt. Vitamin K1 spielt eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung, während Vitamin K2 neben der gerinnungsfördernden Wirkung noch zahlreiche andere Effekte im Stoffwechsel hat. Vitamin K2 aktiviert Osteocalcin und bewirkt im Knochen eine Calciumeinlagerung. Das somit vom Vitamin D bereitgestellte Calcium wird zielgerichtet eingebaut, denn Vitamin K2 fördert den Einbau von Calcium in den Knochen und verhindert die Ablagerung in anderen Geweben. Daher sollte bei längerer Vitamin-D-Substitution auf eine regelmäßige Einnahme von K2 geachtet werden. Hierbei scheint die 7-armige Form MK-7 (Menaquinon-7) am besten verwertbar und am wirkungsvollsten zu sein.

Fazit

Wer zu Infekten zu Beginn der kalten Jahreszeit neigt und im Sommer nicht ausreichend an die Sonne kommt sollte seinen Vitamin D Spiegel überprüfen, leere Speicher ggf. auffüllen lassen und über den Winter eine regelmäßige Supplementierung (Erhaltungstherapie), in der Regel eine hochdosierte Kapsel pro Woche, durchführen.


Quellen u.a.:

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  • Sutherland et al. Vitamin D deficiency increases mortality risk in the UK Biobank: a nonlinear mendelian randomization study. Ann Intern Med 2022, DOI: 10.7326/m21-3324

Aktualisiert November 2022