Corona-Impfung, Allergie & Anaphylaxie

Ich wurde in den letzten Tagen des öfteren gefragt, ob man als Allergiepatient (z.B. Pollenallergie, Hausstaubmilbenallergie oder Tierhaarallergie) denn stärkere Bedenken bzgl. der Corona-Impfung haben müsse, da in den Medien ja über diverse allergische Zwischenfälle berichtet wurde.

Sorgen bereiten insbesondere anaphylaktische Reaktionen, wie sie in Großbritannien vorgekommen sind, das heißt schwerste und überschießende allergische Reaktionen des gesamten Organismus mit im schlimmsten Fall komplettem Herzkreislaufzusammenbruch.

Leider ist die Impfbereitschaft immer noch nicht sehr hoch, weshalb solche Ängste (immerhin sind ca. 20% der erwachsenen deutschen Bevölkerung von einer Allergie betroffen) nicht gerade zu großem Vertrauen in die Corona-Impfung führen, zumal es sich ja noch um einen neuen Impfstoff-Typ handelt. Aufklärung ist daher immens wichtig!

Gestern Vormittag bin ich bei der Lektüre des aktuellen Deutschen Ärzteblattes (DÄ Jg 118, Heft 1-2) vom 11. Januar 2021 auf einen Artikel gestoßen, der genau zu diesen Fragen Stellung nimmt. Ich möchte im Folgenden ein paar Informationen aus diesem Fachartikel für Sie aufarbeiten und ergänzen.

Wie häufig sind Allergien auf Medikamente und Impfstoffe?

Allergien auf Medikamente sind selten, die auf Impfstoffe noch seltener. Die in Großbritannien betroffenen Geimpften waren bekanntermaßen Allergiker mit Bereitschaft zur Anaphylaxie. Das bedeutet, dass bei diesen Impflingen überschießende Reaktionen bekannt waren, weshalb diese beiden Engländer auch immer ein Notfallset mit sich führten. Da die beiden als einer der ersten gegen das Coronavirus geimpft wurden ließ daher mutmaßen, dass Reaktionen auf die neuen Impfstoffe überhäufig vorkommen. Die allergologischen Fachgesellschaften konnten diesbezüglich jedoch Entwarnung geben (Klimek et al).

Die Häufigkeit allergischer Reaktionen bei Impfungen wird angegeben mit 1: 1 Millionen bis 30 zu 100:000, im Mittel 1 : 50.000. Die schwerste Form der Allergie, die Anaphylaxie, kommt nur bei 1 : 1 Millionen vor. Hierbei kommt es zu Reaktionen aufgrund Allergien gegen typischerweise Hühnereiweiß, Gelatine, Latex und weitere Hilfsstoffe.

Wie verhält es sich beim Corona-Impfstoff?

Der Coronaimpfstoff BNT162b2 (Biontech/Pfizer) enthält neben anderen den Hilfstoff Polyethylenglycol 2000 (PEG, Macrogol). PEG verbessert die Aufnahme des hochempfindlichen RNA-Impfstoff durch die Zellmembran in die Zelle. PEG kommt in zahlreichen Kosmetika, Medikamenten und Lebensmittel als Hilfsstoff vor. Es ist bekannt, dass auf diesen Hilfsstoff allergische Reaktionen vorkommen. Es wird aktuell vermutet, dass PEG als ursächlich für die schweren allergischen Reaktionen angesehen werden kann. Die Bestätigung dieser These steht jedoch noch aus, die Nachforschungen in UK laufen derzeit noch.

In der Zulassungsstudie für den Biontech-Impfstoff wurden explizit Teilnehmer ausgeschlossen, die eine schwere Reaktion im Zusammenhang mit einer Impfung in der Vorgeschichte hatten oder wissentlich mit schweren allergischen Reaktion auf einen der Inhaltsstoff des Impfstoff reagierten. Ohne diese ausgeschlossenen Teilnehmer traten allergische Nebenwirkungen bei 0,63% der Teilnehmer auf. Reaktionen traten häufiger nach der zweiten Impfung auf und waren bei Impflingen > 55 Jahren seltener.

Die Empfehlung der allergologischen Fachgesellschaften (AeDA, DGAKI, GPA) lautet daher:

  • Alle zu Impfenden müssen vorher über mögliche allergische Nebenwirkungen bei vergangenen Impfungen oder allgemeinen schweren allergischen Reaktionen (Anaphylaxien) befragt werden und darüber Auskunft geben.
  • Bei Verdachtsfällen, die bereits solche Reaktionen durchgemacht haben, müssen entsprechende allergologische Tests durchgeführt werden.
  • selbstverständlich müssen und sind die Impfteams auf die Behandlung von allergischen Nebenwirkungen vorbereitet und geschult.

Derartige Tests können z.B. Labortests sein, wie Bestimmung des IgE, Basophilen-Degranulationstest (BDT) auf PEG und das kreuzreagierende Polysorbat 80, ggf. Bestimmung der Tryptase als Marker für schwerwiegende anaphylaktische Reaktionen.

Was bedeutet dies für Pollen-, Hausstaub- oder Tierhaarallergiker?

Nach jetzigen Stand bedeutet eine alleinige Inhalationsallergie (Allergie gegen Allergene, die man einatmet wie Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaare, Schimmelpilze) keinen Risikofaktor für die Entwicklung schwerer allergischer Nebenwirkungen bei der Corona-Impfung, sofern in der medizinischen Vorgeschichte keine Ereignisse wie allergischer Schock oder Reaktionen auf vorherige Schutzimpfungen vorgekommen sind. Inhalationsallergien führen nämlich in der Regel nicht zu anaphylaktischen Reaktionen. Dennoch sollten Sie, wenn Sie zur Impfung anstehen, dem impfenden Arzt von Ihrer Allergie berichten.

Müssen zum jetzigen Zeitpunkt noch alle Patienten mit entsprechender Vorgeschichte (Anaphylaxie (man geht von 1-3% der Gesamtbevölkerung aus), andere Impfreaktion) von der Coronaimpfung ausgeschlossen werden, könnte es sich im Verlauf noch ändern, wenn sich bestätigt, dass Polyethylenglycol (PEG) als DAS ALLERGEN fungiert, welches die allergischen Nebenwirkungen mit dem Biontech-Impfstoff vermittelt. Dies steht jedoch im Moment noch aus, es müssen weitere Daten gesammelt und die Aufarbeitung in Großbritannien abgewartet werden.

Aktueller Nachtrag: Stand 12.04.2021 besteht bei Inhalation – Allergikern (Pollenallergie, Heuschnupfen, Tierhaarallergie, Hausstaubmilbenallergie) nach wie vor keine begründete Besorgnis bzgl. der Corona-Impfung, siehe unten stehendes Flussschema vom Paul-Ehrlich-Institut. Dieses bezieht sich aktuell zwar nur auf die mRNA-Imnpfstoffe, es wird vermutet, dass es auf Vektorimpfstoffe ebenfalls ausgeweitet wird.

Aktueller Nachtrag: Stand 19.01.2022: sollte sich in der Labordiagnostik eine Sensibilisierung gegen einen der o.g. Stoffe nachweisen lassen, so kann ggf. ein anderer, als der geplante Impfstoff gewählt werden. Da neben den Typ-I-Reaktionen auch pseudoallergische Reaktionen vorkommen können (die sich der o.g. Diagnostik entziehen), kann das Ergebnis einer solchen Testung nur im Kontext (allergologische Vorgeschichte) gesehen werden. Eine allergologische Diagnostik im Vorfeld der Impfung wird daher nur bei begründetem Verdacht durchgeführt.


Disclaimer: die Informationen wurden nach bestem medizinischem Wissen und Gewissen zusammengetragen, die Autorin ist ständig bemüht, das Informationsangebot aktuell und richtig zu halten, kann hierfür jedoch keine Gewähr übernehmen. Stand der Informationen: Januar 2021


Quellen:

  • Bergmann HC et al: Current status of allergy prevalence in Germany. Position paper of the Environmental Medicine Commission of the Robert Koch Institute. Allergo J Int 2016;25:6–10
  • Klimek L, Novak N, Hamelmann E, et al.: Allergo Journal International 2020
  • Polack FP, Thomas SJ, Kitchin N, Absalon J, Gurtman A, Lockhart S, et al.: Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine. The New England journal of medicine. 2020
  • Wenande E, Garvey LH: Immediate-type hypersensitivity to polyethylene glycols: a review. Clinical and experimental allergy: journal of the British Society for Allergy and Clinical Immunology 2016; 46 (7): 907–22
  • Zylka-Menhorn V: COVID-19-Impfreaktionen in Großbritannien: Anaphylaxie in der Anamnese. Dtsch Arztebl 2021; 118(1-2): A-23-24
  • Zhou Z-H et al: Anti-PEG IgE in anaphylaxis associated with polyethylene glycol. The journal of allergy and clinical immunology In practice. 2020.