ITC – intratympanale Kortikoidtherapie

Intratympanale Kortikoidtherapie (ITC) „Kortison direkt ins Ohr“

Es gibt drei Wege das Innenohr mit Medikamenten zu erreichen: Einnahme von Tabletten, Infusionen oder die intratympanale Medikamentengabe. Bei der intratympanalen Kortikoidtherapie können Medikamente direkt an das Innenohr gegeben werden, indem sie im Mittelohr (Tympanon) platziert werden. Bei der intratympanalen Kortikoidtherapie gibt man Kortison, es können für andere Indikationen aber auch andere Medikamente gegeben werden.

Diese Methode ist keinesfalls neu, sie wurde bereits in den 50er-Jahren angewandt. Inzwischen sind ca. 1000 Veröffentlichungen zur lokalen Innenohrtherapie publiziert. Die Leitlinie Hörsturz beschreibt die intratympanale Gabe als Alternative bei zu befürchtenden Nebenwirkungen oder bei Nicht-Ansprechen auf die klassische Behandlung mit Kortisontabletten oder -infusionen.

Was sind die Vorteile der intratympanalen Kortisongabe?

Die intratympanale Kortikoidtherapie kommt insbesondere dann zur Anwendung wenn medizinische Gründe gegen eine Behandlung mit Kortison mit Tabletten oder Infusionen sprechen. Das ist bei Patienten mit Diabetes mellitus der Fall, aber auch bei Vorerkrankungen wie der Hüftkopfnekrose oder bestimmten psychiatrischen Erkrankungen. Denn mit der lokalen Kortisongabe werden die Nebenwirkungen auf den gesamten Körper (sog. systemische Wirkungen) weitgehend vermieden.

Ein weiterer Vorteil der direkten Gabe ist, dass höhere Wirkkonzentrationen in der Innenohrflüssigkeit erreicht werden können. Denn die Blut-Labyrinth-Schranke läßt nur einen kleinen Teil (<10%) der Konzentration im Blutplasma in die Innenohrflüssigkeit durchtreten. Über die Innenohrfenster (rundes Fenster und ovales Fenster, dünne Membranen an der Grenze von Mittel- zu Innenohr) diffundieren die Wirkstoffe dann ins Innenohr.

Bei welchen Erkrankungen wird die ITC angewendet?

Krankheitsbilder, die für die intratympanale Kortikoidtherapie in Frage kommen sind Erkrankungen des Innenohrs: (therapieresistenter) Hörsturz, Tinnitus, akuter Innenohr Drehschwindel, M. Meniere. Bei letzterem können auch andere Medikamente für die direkte Gabe angewendet werden (Gentamicin), siehe bei dem entsprechenden Glossareintrag Meniérè.

Jedoch kommt die ITC nicht nur zur Vermeidung von Nebenwirkungen zur Anwendung. Sie wird auch als Rettungstherapie (rescue therapy) angewendet, wenn sich durch Tablettengabe oder Infusionen kein therapeutischer Effekt eingestellt hat. Konkret: eine mehrtägige Infusionsserie (sog. Kortisonstoß) nach Hörsturz führte nicht zu einem Wiederanstieg der Hörkurve. Bevor das Nutzen-Nebenwirkungsgleichgewicht kippt kann dann auf eine intratympanale Behandlung umgestellt werden.

Ablauf der Behandlung

Richtig durchgeführt ist die Behandlung schmerzfrei. Hierfür wird das Trommelfell für ca. 20 Minuten mit einem örtlichen Betäubungsmittel anästhesiert. Dafür wird ein kleines Wattebäuschchen mit dem Oberflächenanästhetikum in den Gehörgang eingeführt und auf dem Trommelfell platziert.

Nach der Einwirkzeit und der Entfernung der Watte kann die eigentliche Behandlung beginnen. Der Patient wird im Behandlungsstuhl nach hinten gekippt, so dass er annähernd flach liegt. Somit können die Wirkstoffe nicht so schnell über die tiefste Stelle im Mittelohr (wo es in die Eustachsche Röhre geht) in den Rachen abfließen. Die Medikamente (Dexamethason und Hyaluronsäure) werden in der Zwischenzeit auf eine kleine Spritze aufgezogen. Über ein Operationsmikroskop platziert der HNO-Arzt die hauchfeine Nadel (0,4 mm Durchmesser) in Bereich des hinteren unteren Quadranten und sticht mit ihr an dieser Stelle durch das Trommelfell. Eine vorherige Stichinjektion in den hinteren oberen Quadranten verhindert einen Überdruck, wenn schließlich die Gabe des Medikamentes über die Nadel erfolgt. Diese wird direkt danach wieder entfernt.

Nach der Injektion legt sich der Patient auf das gegenüberliegende Ohr um die Diffusion der Wirkstoffe in Richtung Innenohr zu verbessern. Idealerweise vermeidet man nach der Behandlung zu schlucken, um ein Abfließen der Medikamente über die Eustach´sche Röhre zu reduzieren. In dieser Lage verbleibt der Patient dann ca. 20-30 Minuten. Danach kann er die Praxis uneingeschränkt verlassen, er bleibt fahrtüchtig.

Wie oft muß die Behandlung durchgeführt werden?

Je nach Indikation und Ansprechen auf die Behandlung gibt es verschiedene Protokolle. In der Regel kann man bei der Indikation Hörsturz nach drei Behandlungen eine Aussage zur Effektivität treffen, weshalb die Behandlung in der Regel nach drei Sitzungen abgeschlossen ist. Bei Ansprechen kann sie auch verlängert werden. Die Abstände zwischen den Injektionen können zwischen ein und mehreren Tagen liegen.

Bei der Indikation Morbus Meniérè behandelt man entweder im Akutfall analog der Hörsturzbehandlung oder als intermittierende Dauertherapie zur Verhinderung von Meniere-Anfällen in größeren Abständen.

Risiken der intratympanalen Behandlung

Die Behandlung hat bei richtiger Durchführung kaum Nebenwirkungen. Gelegentlich wird die Injektion bemerkt, jedoch ist dies aushaltbar. Unter Umständen bemerken Patienten direkt nach der Injektion ein kurzes Drehschwindelgefühl. Dies ist auf eine Reizung des Innenohres durch das relativ gesehen "zu kalte" Medikament zurückzuführen (Raumtemperatur 20-22°C vs. Körpertemperatur 37°C), weshalb das Schwindelgefühl auch rasch wieder nachläßt.

Eine bleibende Perforation des Trommelfelles ist zwar in der Literatur beschrieben, jedoch kommt dies nur im Ausnahmefall vor. In der Regel verschließt sich das winzige Löchlein innerhalb von wenigen Stunden wieder von alleine. Zur Sicherheit sollte am Behandlungstag kein Wasser ins Ohr kommen.

Weitere Informationen finden Sie auch hier.

Literatur

Anderson CR et al. Local Delivery of Therapeutics to the Inner Ear: The State of the Science. Front Cell Neurosci 2019;13:418

Gürkov R, Holzer M.Viel Wirkstoff, wenig systemische Nebenwirkungen. HNO Nachrichten 05/2020:

Inamura N et al. Permeability changes of the blood-labyrinth barrier measured in vivo during experimental treatments. Hear Res 1992;61:12-8

Rauch SD et al. Oral vs intratympanic corticosteroid therapy for idiopathic sudden sen- sorineural hearing loss: a randomized trial. JAMA 2011;305:2071-9

Silverstein H et al. Intratympanic steroid treatment of inner ear disease and tinnitus (preliminary report). Ear Nose Throat J 1996;75:468-71,74,76

Wei BP et al. Steroids for idiopathic sudden sensorineural hearing loss. Cochrane Data- base Syst Rev 2013:CD003998


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