Modernste Therapie von Nasenpolypen mit Medikamenten (Antikörpertherapie) – ohne Operation
In diesem Artikel möchte ich Ihnen das Krankheitsbild der Nasenpolypen erläutern, ein häufiger Befund bei behinderter Nasenatmung. Dabei gehe ich auf Symptome, Entstehung der Nasenpolypen und deren klassische Behandlung ein.
Zu Nasenpolypen gibt es bereits viele Informationen im Internet, ich mache jedoch immer noch die Erfahrung, dass selbst wesentlich betroffene Patienten sich mit dem Krankheitsbild und deren Behandlung kaum auskennen und der Großteil der Patienten nicht über moderne Behandlungstrategien informiert ist.
Denn moderne Nasenpolypen Behandlung geht auch medikamentös (mit sogenannten Antikörpern)!
Was sind Nasenpolypen?
Nasenpolypen (med.: polyposis nasi) sind gutartige Wucherungen in einer oder beiden Nasenhöhlen. Wenn der HNO-Arzt die Nase inspiziert, sehen diese typischerweise gelblich-glasig, bis gelblich-blass, manchmal auch grau-weißlich aus. Sie sind glatt begrenzt und verlegen in ausgeprägten Fällen die innere Nase komplett, ohne dass man noch belüftete Nasenbereiche sieht. Spätestens jetzt führt es die Patienten zum Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde.
Typisches Symptom von Nasenpolypen sind wie bereits erwähnt eine behinderte Nasenatmung, die sich manchmal sehr schnell entwickelt, typischerweise nach einer Nebenhöhlenentzündung oder einer Coronavirus-Infektion, manchmal auch nur sehr langsam und schleichend. Da sich die Polypen vor allem in den Nasengängen, in denen es ohnehin eng ist, entwickeln, sieht man ein Frühstadium oft nicht beim bloßen Blick in die Nase, sondern nur mit einem Endoskop. Größere Nasenpolypen sind dann oftmals mit dem Spekulum zu sehen, mit denen der HNO-Arzt das Nasenloch für die Inspektion aufhält. Es gibt sogar riesige Polypen, die vorne aus den Nasenlöchern heraus quellen – solche fortgeschrittenen Befunde sieht man jedoch sehr selten.
Die Nasenpolypen hängen oft von den oberen Nasenanteilen in die unteren Anteile der Nase hinein, was erklärt, dass die Patienten meist wenig bis gar nicht mehr riechen können. Die Geruchsmoleküle finden schlichtweg nicht mehr ihren Weg zum Riechepithel im oberen Nasenbereich.
Neben diesen Hauptsymptomen gibt es zahlreiche begleitende Symptome, wie ein Schleimfluss aus dem hinteren, oberen Rachen, einem trockenen, gereizten Hals, Infektanfälligkeit, Schnarchen, einem unspezifischen Druckgefühl im Bereich der Nase und der Nebenhöhlen sowie häufigen Nebenhöhlenentzündungen.
In der medizinischen Vorgeschichte betroffener Patienten finden sich meist Allergien gegen Inhalationsstoffe wie Pollen, Hausstaubmilben, Tierhaare oder Schimmelpilze. Viele der Patienten wurden bereits schon einmal an den Nebenhöhlen beziehungsweise an den Nasenpolypen operiert und haben trotzdem nach Jahren erneut die selben Beschwerden. Auch ein Asthma und chronische Hauterkrankungen (Neurodermitis) finden sich bei vielen von Polyposis nasi betroffenen Patienten.
Wie behandelt man Nasenpolypen?
Ziel der Behandlung ist, dass die Nasenpolypen entweder deutlich schrumpfen, so dass sie keine Beschwerden mehr machen oder dass man sie komplett entfernt, was man üblicherweise durch eine Operation der Nase erreicht. Die verschiedenen Methoden sowie deren Vor- und Nachteile werden nachfolgend erläutert.
Medikamentöse Therapie mit Kortison
Nasenpolypen haben einen entzündlichen Ursprung, weshalb es nahe liegt, die zu Grunde liegende Entzündung zu behandeln. Eines der stärksten antientzündlich wirkende Medikamente ist Kortison. Die klassische Therapie von Nasenpolypen wird daher mit lokalwirksamem Kortison-Nasenspray oder bei bei ausgeprägtem Befund auch mit Kortison in Tablettenform durchgeführt. Die Behandlung mit Spülungen mit Salzlösungen (sog. Nasendusche) und Kortison-Nasenspray bezeichnet man als Standardtherapie.
Sehr gute Ergebnisse erreicht man mit einer Kombination beider Applikationen, d.h. man beginnt mit einer mehrtägigen oralen Einnahme (meist zwischen sechs und zehn Tagen) und setzt die Behandlung dann mit einem Kortison Nasenspray fort. Meistens muss das Spray für einen sehr langen Zeitraum angewendet werden, oft sogar lebenslang. Viele Patienten berichten darüber, dass nach einem Absetzversuch die Beschwerden wieder rasch zugenommen haben oder das sogar unter der Behandlung mit einem Kortison Nasenspray die durch die Nasenpolypen bedingten Beschwerden nicht nachgelassen haben. Manchmal wird die Verwendung des Sprays wegen trockner Nasenschleimhäute auch nicht vertragen. Wenn also Nebenwirkungen bestehen oder keine Symptomkontrolle erreicht werden kann, ist in der Regel der nächste Schritt die Operation.
Welche der verschiedenen Applikationsarten das Kortison für Sie als Betroffene/er die richtige ist wird mit ihrem HNO-Arzt nach einer eingehenden Untersuchung erörtert.
Operative Therapie
Die Operation von Nasenpolypen erfolgt in Vollnarkose. Durch die Nasenlöcher entfernt der HNO Chirurg die Polypen stückchenweise und erweitert die Nasengänge in Richtung der Nebenhöhlen. Meistens sind die Nebenhöhlen ebenfalls betroffen oder die Polypenbildung geht von den Nebenhöhlen aus. Ziel ist nicht nur die vollständige Entfernung der Nasenpolypen, sondern ist es auch, dass die Anatomie der Nase nach der Operation erweitert ist.
Eine ständig verlegte Nase, eine chronische Entzündung bei schlechter Belüftung und ein Sekretstau begünstigen ein so genanntes Rezidiv, d.h. das Nachwachsen der Nasenpolypen. Mit der Erweiterung der Nasengänge möchte man dies verhindern, weshalb man eben nicht nur die Polypen, also das Weichgewebe aus der Nase, entfernt, sondern die darunter liegenden knöchernen Strukturen weiter macht.
Meist muss der Patient nach der Nebenhöhlen-Operation noch einige Tage im Krankenhaus bleiben, denn das Wundgebiet in der Nase muss nachgesorgt werden, Krusten entfernt, Schleim abgesaugt und die Wundheilung überwacht werden. Meist folgt nach der Entlassung aus dem Krankenhasu eine ambulante Nachbehandlung in der HNO-Praxis in immer größer werdenden Abständen, bis das Wundgebiet komplett abgeheilt ist.
Unter der Voraussetzung, dass die Nase von allen Polypen befreit wurde und die Kanäle deutlich erweitert sind (daher muss man oft auch zusätzlich eine schiefe Nasenscheidewand und vergrößerte Nasenmuschel korrigieren) ist das Nachwachsen von Polypen selten. Es gibt jedoch Ausnahmen, nämlich dann, wenn das Problem nicht eine enge Anatomie ist, die über chronisch entzündete Nebenhöhlen zur Polypenbildung geführt hat. In diesen Fällen liegt das Problem in der Nasenschleimhaut selbst, weshalb nicht bei allen Patienten nach einer Operation dauerhafte Beschwerdefreiheit garantiert ist und manche Patienten an nachgewachsenen Nasenpolypen leiden.
Medikamentöse Therapie mit Antikörpern (Biologika)
Die Behandlung von Nasenpolypen mit monoklonalen Antikörpern ist eine seit Jahren etablierte Therapie bei Patienten, die mit den oben genannten therapeutischen Maßnahmen keine Beschwerdefreiheit erreichen können. Patienten, die trotz Operation und konsequenter Behandlung mit Kortikoiden unter wiederkehrenden Nasenpolypen leiden sind diejenige Patientengruppe, die von der Therapie mit sog. Biologika profitieren kann.
Für welche Nasenpolypen Patienten ist die Antikörpertherapie geeignet?
Es müssen also bestimmte Vorraussetzungen gegeben sein, dass der HNO-Arzt eine solche Therapie vorschlagen kann, die dann auch von der Krankenversicherung übernommen werden. Die Behandlung mit diesen modernen Präparaten ist kostspielig, weshalb bestimmte Kriterien für den Einschluss diese Behandlung erfüllt sein müssen.
Grob zusammen gefasst sind das
- mit den üblichen Therapien (Nasennebenhöhlen-Operation, Kortison als Tablette oder Nasenspray) nicht ausreichende Symptomkontrolle
- erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität (u.a. schwere Geruchsstörugen, ausgeprägte Nebenhöhlenentzündungen, damit verbundene häufige Antibiotika-Gaben…)
- laborchemische und klinische Hinweise auf eine sogenannte TH2-Inflammation – dazu gehören das Bestehen bestimmter Vorerkrankungen wie allergisches Asthma, ganzjährige Allergien und bestimmte Hauterkrankungen.
Welche Antikörper für die Behandlung von Nasenpolypen gibt es?
Mittlerweile sind drei verschiendene monoklonale Antikörper für die Behandlung von Nasenpolypen zugelassen: Duplilumab, Mepolizumab und Omalizumab. Alle genannten Präparate sind schon seit Jahren für die Behandlung von Asthma und allergischen Hauterkrankungen (atypisches Ekzem, Neurodermitis) auf dem Markt zugelassen und verfügbar. Nach und nach erfolgte die Erweiterung der Zulassung für die Therapie von Nasenpolypen, weil man festgestellt hat, dass diese Erkrankungen den gleichen entzündlichen Entstehungsmechanismus haben.
Diese Antikörper binden an Rezeptoren von Immunbotenstoffen der Entzündungsentwicklung (Interleukine, IgE), so dass die Entzündungsreaktion nicht wie üblicherweise abläuft, sondern mittendrin quasi gestoppt wird. Während sowohl Operation als auch Kortison darüber wirken, dass die bereits entzündete Schleimhaut Behandlungsziel ist, wirken die Antikörper viel früher, also bevor sich die Entzündung im Gewebe richtig aufgebaut hat.
Die Auswahl des passenden Präparates erfolgt patientenindividuell je nach dem, welche Immunbotenstoffe die Entzündungsreaktion vermitteln. Daher ist bei einem solchen personalisierten Therapieansatz eine Laboruntersuchung notwendig (siehe oben).
Alle drei Präparate injiziert man, d.h. man muss sie sich spritzen. Die Injektionen erfolgen üblicherweise in die Bauchdecke im Abstand von zwei bis vier Wochen (je nach Präparat). Das tut den meisten Patienten nicht weh und nach ein bis zwei Spritzen unter Anleitung funktioniert das meist problemlos.
Wichtig ist noch zu wissen, dass diese Medikamente langfristig verabreicht werden müssen. Zwar kann man die Behandlungsintervalle bei gutem Ansprechen ggf. etwas ausdehnen, um einen nachhaltigen Behandlungserfolg zu garantieren müssen sie jedoch dauerhaft verwendet werden, d.h. sie sind nicht für eine Kurzzeitbehandlung vorgesehen, weil ja die chronische immunologische Entzündungsreaktion nach wie vor weiter besteht, auch wenn die durch die Polypen vermittelten Symptome unter der Therapie dann nicht mehr bestehen.
Mein persönliches Fazit
Obwohl wir heutzutage durch die Medien so gut über alle möglichen Erkrankungen informiert sind bin ich immer wieder überrascht, wie wenig über diese moderne Therapiemaßnahme bekannt ist. Immerhin sind bis zu 15% der Bevölkerung in entwickelten Ländern von einer chronischen Rhinosinusitis betroffen, nicht wenige auch unter einer chronischen Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (cRSwnP).
Der Leidensweg von Patienten mit unkontrollierbaren / wiederkehrenden Nasenpolypen ist meist lang und von Resignation geprägt. Ich hoffe dahermit diesem Artikel etwas zur Informationsgewinnung beizutragen, denn ich bin begeistert, wie effektiv die Therapie von Nasenpolypen mit Antikörpern ist.
Meist schon nach wenigen Spritzen sieht man, wie sich die Polypen in der Nasenendoskopie zurückziehen und im gleichen Maße die Lebensqualität steigt. Um Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse zu vermeiden ist es ratsam als HNO-Arzt den Behandlungserfolg gut und umfangreich zu dokumentieren. Wenn meine mit diesen Biologika behandelten Patienten alle paar Monate zur Kontrolle kommen ist es sehr befriedigend zu sehen, was sich endoskopisch und mit den Instrumenten zur Dokumentation an Besserung zeigt:
- sukzessive Besserung der Scores zu Lebensqualität
- Geruchstest: Komplettausfall des Geruchsvermögens vor der Therapie vs. normales Riechvermögen unter Antikörpertherapie
- endoskopische Scores zur Polypengröße sich so verbessern, dass man die Polypen irgendwann gar nicht mehr finden kann.
- Rhinomanometrie: deutliche Verbesserung der nasalen Atmung in der Luftdurchflussmessung
- Asthma: Reduktion von Asthmamedikamenten und verbesserte Lungenfunktion
- Allergien: weniger allergische Beschwerden in der Nase, den Augen und den tiefen Atemwegen
Nach meiner Erfahrung (zumindest in meinem Patientengut) gibt es nur wenige Nebenwirkungen. In der Regel beschränken diese sich auf Lokalreaktionen an der Einstichstelle, wie umschriebene Verhärtungen oder Schwellungen. Meine Patienten berichten, dass diese Nebenwirkungen in Relation zu Symptomlinderung im Bereich der Nase absolut vernachlässigbar sind.
Die Antikörpertherapie ist die Therapie der Zukunft, weitere Antikörper, die in entzündliche Prozesse eingreifen, werden intensiv beforscht und stehen in den Startlöchern. Es bleibt spannend! Aufgrund der hohen Kosten von Biologika ist jedoch davon auszugehen, dass Kortisonnasensprays als Basistherapeutika sowie operative Therapien unverzichtbar bleiben werden.
Detailiertere Informationen in der Leitlinie Rhinosinusitis (derzeit in Aktualisierung)