Wespengiftallergie – eigene leidliche Erfahrungen diesmal aus Patientensicht! 🐝

Ich möchte mit Ihnen meine Erfahrungen mit einer vor ein paar Tagen durchgemachten #anaphylaxie auf einen Hornissenstich teilen. Es ist am Ende alles glimpflich verlaufen… als Allergologin wusste ich sofort, was zu tun war.
Mir war bisher nicht bewusst, dass ich hochallergisch auf Insektengift reagiere…. das geht vielen Betroffenen so, weshalb ich hier meine mein Erlebnis teilen möchte… inkl. Symptome und was nun zu tun ist….

Die Vorgeschichte

Dieses Jahr erwischte es mich 3x im Abstand von ein paar Wochen… Wespenstiche! Zwei mal in den Fuss und einmal in den Daumen. Kurz schmerzte es, aber letztlich war es jeweils harmlos, nur eine leichte Schwellung von wenigen cm und am nächsten Tag war nichts mehr zu sehen und es juckte nur noch ein bisschen.

Stich und Anaphylaxie

Vorletzte Woche aber, abends gegen 22.00 stach es mich wieder in den linken mittleren Zeh. Deutlich schmerzhafter als ich es von den bisherigen Wespenstichen kannte, ausserdem hörte ich ein lautes Brummen… eine Hornisse!  Sie saß hinter der Türe und war vermutlich durch ihre missliche Lage gestresst und stach mich, vielleicht trat ich auch auf sie… das weiß ich nicht mehr so genau. Hornissen sind ja friedliebende Tiere und im Gegensatz zu ihren kleineren gestreiften Verwandten lang nicht so angriffslustig.
Kurz nach dem Stich war ich jedenfalls sehr durch den beißenden Schmerz gestresst, aber nach wenigen Minuten wich der Focus vom Schmerz in Richtung Oberschenkel… es fing zwischen den Beinen fürchterlich an zu jucken. Kurz danach fühlten sich meine Handflächen geschwollen an… sie waren es auch, ich konnte kaum noch eine Faust machen. Wenig später drückten mir die Augenlider, ich blickte in den Badspiegel und war entsetzt. Was mir mit zunehmender Symptomatik schon dämmerte war nun Gewissheit: eine anaphylaktische Reaktion!
Als Allergologin weiß ich, dass der Verlauf und vor allem der Ausgang einer solchen Reaktion nicht vorhersehbar ist und fatal enden kann, auch mit dem Tod. Während mein Mann noch der Hornisse hinterher ist, weil die auf dem Weg Richtung Kinderzimmer war rief ich zitternd den Notarzt, weil sich nun auch noch Atembeschwerden dazugesellten….
Keiner in der Familie reagierte bisher so heftig allergisch, weshalb wir keine Notfallmedikamente zu Hause haben (was es auch nicht braucht ohne entsprechende Vorgeschichte, siehe unten). Kortison war als Ampulle für die Injektion und als Tablette vorhanden, jedoch lässt sich eine anaphylaktische Reaktion ab gewissen Symptomen nicht mehr durch Kortison durchbrechen, dazu braucht es Adrenalin und das hatten wir nicht daheim.
Es sollte sich als die richtige Entscheidung herausstellen, denn in den zehn Minuten bis der Notarzt mit Entourage eintraf ging es mir zunehmend schlechter, mir war schrecklich kalt, der Kreislauf sackte ab und es fühlte sich an wie ein Kasten Wasser auf der Brust und ja, ich hatte wirklich Angst!
Ich bekam einen Zugang, erhielt die üblichen Medikamente bei einer Anaphylaxie (Kortison, zwei verschiedene Antihistaminika) und erhielt bei beginnender Schocksymptomatik (Blutdruck zu niedrig) und offenbar auch Schwellung im Gaumenbereich (was ich aber nicht bemerkt habe) schließlich Adrenalin. Mir klapperten die Zähne und ich hatte Schüttelfrost, da ließ ich mich bereitwillig mit dem Rettungswagen mitnehmen.
Kurz vor der Ankunft im Krankenhaus ging es dann merklich bergauf. Ich stabilisierte mich, die Schwellungen und Rötungen waren rückläufig, der Blutdruck stieg auch wieder und so blieb es auch im weiteren Verlauf.
Am nächsten Morgen hatte ich nur noch einen schmerzenden Zeh, dicke Beine und Schwellungen unter den Augen. Ich hatte alles gut überstanden.
Ich ließ ich mir schließlich von meinen Mitarbeiterinnen Blutwerte abnehmen. Die Laborkonstellation deutet darauf hin, dass ich durch die drei Stiche auf Wespengift sensibilisiert wurde. Das bedeutet, dass ich bis zu Beginn dieses Jahres nicht allergisch auf Wespengift war und sich nun leider durch die rasch hintereinander erhaltenen Stiche Antikörper dagegen gebildet haben.
#Hornissengift zeigt Kreuzreaktivität zu #Wespengift, weshalb ich auf die Hornisse reagiert habe, die pro Stich 5-10x soviel Gift injiziert als eine Wespe, wobei die Konzentration geringer ist.
 
Anaphylaxie Wespenstich

kurz vor Eintreffen des Notarztes und 1 h später im Krankenhaus

 
Notfallset Anaphylaxie

Notfallset mit Adrenalin-Autoinjektor

Was ist eine Anaphylaxie / anaphylaktische Reaktion?

Unter Anaphylaxie versteht man eine überschießende, allergische Immunreaktion auf körperfremde Eiweißbestandteile in Nahrungsmitteln, Insektengift und Medikamenten. Es ist im Gegensatz zur lokalen allergischen Reaktion der gesamte Körper betroffen.

Die Reaktionen können von größeren und länger anhaltenden Lokalreaktionen (> 10 cm und > 24 h), über generalisiertem Juckreiz, Ausschlag, Atemnot, Blutdruckabfall und Schocksymptomatik bis hin zum Herzkreislaufzusammenbruch reichen. Dabei sind die Symptome zu Beginn einer anaphylaktischen Reaktion nicht vorhersehbar und können theoretisch immer mit Stadium IV (Herzkreislaufversagen) enden, weshalb jede Anaphylaxie einen medizinischer Notfall darstellt.

Abgesehen von der allergischen Lokalreaktion, die als Schweregrad 0 bezeichnet wird unterscheidet man vier Schweregrade:

SchweregradSymptomeTherapie

1

Hautsymptome fernab vom Stich: Juckreiz, zB Hände, Genitalbereich, Quaddeln, Rötung, Schwellungen im GesichtKortison und Antihistaminika als Tablette oder auch über die Vene

2

+ zus. zu 1 Symptome Magendarmtrakt (Übelkeit, Stuhl- und Harndrang), Naselaufen, Heiserkeit, leichte Kreislaufsymptomatik (Herzrasen, leichter Blutdruckabfall, unregelm Herzschlag)Kortison und Tablette über die Vene, Infusion, Kreislaufüberwachung, bei Atembeschwerden Sauerstoff / Bronchienerweiterer (Asthmaspray)

3

+ zus. zu 1 oder 2 Atembeschwerden (Atemnot, asthmaartige Atemgeräusche), Erbrechen, Stuhl-/Harnentleerung, Schocksymptomatik (deutlicher Blutdruckabfall), Bewusslosigkeitzus. zu o.g. Adrenalin in den Muskel

4

+ zus. zu 1, 2 oder 3: Atem- und Herzkreislaufstillstandzus. zu o.g. Reanimation

Aus der obigen Tabelle (angelehnt an Ring und Messmer) lässt sich ablesen, dass bereits Schweregrad I einer Behandlung und damit in der Regel auch einen Arzt bedarf. Wichtig ist auch zu wissen, dass eine beginnende Schocksymptomatik nicht durch Kortison durchbrochen werden kann, die Wirkung tritt viel später ein!!

Auf der Seite des DAAB findet sich ein Anaphylaxie-Notfallplan (link), den jeder von einer Anaphylaxie Betroffene bei sich führen sollte und wovon ich Teile hier zur Übersicht dargestellt habe:

 

DAAB Anaphylaxie Notfallplan Schema beginnende Reaktionen

 

DAAB Anaphlyaxie Notfallplan schwere Reaktion

▶️ Meine MESSAGE dieses Blogbeitrages ▶️

ℹ️ keine Panik, es gibt solche Verläufe, ja. Ich dachte auch nicht, dass ich je betroffen sein könnte. Aber Sie müssen nun keinen Adrenalin-Pen anschaffen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass meine Nachbarin einen Adrenalin-Pen zu Hause hatte, weil sie vor Jahren selbst einmal reagiert hatte, daher ist es sinnvoll mal in der Nachbarschaft zu fragen, sollte es doch mal zu einem Ereignis kommen.
ℹ️ wenn nach einem Insektenstich innerhalb weniger Minuten Reaktionen auftreten, die entfernt vom Stich am Körper auftreten und insbesondere Kreislauf und Atmung betreffen oder sich kurz hintereinander verschiedenste Symptome einstellen handelt es sich um eine Anaphylaxie. Da MÜSSEN Sie den Notarzt rufen, dafür ist er da. Keine Hemmungen! Wie gesagt, der Verlauf einer Anaphylaxie ist nicht vorhersehbar und der Notarzt braucht auch ein paar Minuten bis er da ist. Verschenkt da keine Zeit. Ich war froh, dass ich qua Beruf „vorgebildet“ war und daher keine Zeit mit Hoffnung auf Besserung vertrödelt habe.
ℹ️ Lassen Sie sich nach auffälligen Reaktionen (Lokalreaktionen > 10 cm oder anhaltend länger als 24 h, aber vor allem bei Symptomen fernab vom Stich wie generalisierten Juckreiz (s. auch oben)) nach einem Stich beim Allergologen untersuchen. Durch eine Laboruntersuchung kann die Höhe vorhandener Antikörper bestimmt werden, was einen ersten Anhalt gibt. Besteht anhand der Vorgeschichte und des Befundes der Verdacht auf eine Allergie gegen Gift von Wespen/Hornissen oder Bienen erfolgt die Überweisung an eine Klinik. Hier wird dann ein Hauttest durchgeführt. Zeigen sich Hautreaktionen sollte eine Hyposensibilisierung eingeleitet werden. Die Erfolgsquote liegt bei der Behandlung einer Wespengift-Allergie übrigens am höchsten von allen Immuntherapien gegen Allergien (auch wenn die wissenschaftl. Evidenz begrenzt ist wegen ethischer Problematik bei Doppelblindstudien).
ℹ️ Diejenigen, die bereits so einen Adrenalin-Autoinjektor haben oder gerade verordnet bekommen haben – denken Sie an das regelmäßige Ausstellen eines neuen Rezeptes nach Ablauf des MHD (Handynotiz!) und nehmen sie ihn ÜBERALL mit hin. Nur so kann er auch rechtzeitig angewendet werden. Lassen Sie sich die Anwendung bei der Erstverordnung ausführlich erklären – Ihr verordnender Arzt hat einen Dummy, an welchem er Euch die Anwendung demonstrieren kann und Sie es (ohne Nadel selbstverständlich) ausprobieren können. Aber das wichtigste ist: im Zweifel auch anwenden! Außer einem Pieks passiert nichts weiter, wenn Ihr in „zu früh“ angewendet habt. „Zu spät“ kann dagegen fatal enden…
Mir ist aufgefallen, dass ich abgesehen von meinem eigenen Verlauf dieses Jahr mehr Patienten mit (Verdacht auf) Wespengiftallergie hatte, als in den Vorjahren, weshalb es mir wichtig war Euch darüber zu informieren!
Wer sich weiter wissenschaftlich einlesen möchte der klickt hier auf den Link zur aktuellen Leitlinie Diagnose und Therapie einer Bienen- und Wespengiftallergie.